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Zeitzeichen: 13. Juli 1933

Besuch des preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring in Mülheim

Vor 90 Jahren ist der Nationalsozialist Hermann Göring preußischer Ministerpräsident, preußischer Innenminister und damit Dienstherr der preußischen Polizei. Außerdem gehört er als Minister ohne Geschäftsbereich der seit dem 30. Januar 1933 amtierenden Regierung Hitler an.

Göring hat im Sommer 1933 die Geheime Staatspolizei ins Leben gerufen und 22 der 32 preußischen Polizeipräsidenten entlassen. Gleichzeitig hat er die 50.000 Mitglieder der nationalsozialistischen Kampfverbände SA und SS und des deutschnationalen Stahlhelms als Hilfspolizei in die reguläre preußische Schutzpolizei integriert.

Vier Tage vor seinem Besuch in Mülheim berichtet die Mülheimer Zeitung über Hermann Görings aktuelle Aktivitäten: „Wie Ministerpräsident Göring vor Vertretern der Presse darlegte, ist er bei der Schaffung des neuen Staatsrates davon ausgegangen, dass die Durchführung des nationalsozialistischen Führerprinzips einer Ergänzung bedarf. Der Führer müsse in ständiger Fühlung mit dem Volke bleiben. Er dürfe nicht von der Bürokratie abhängig werden. Er müsse wissen, welche Auswirkungen von seinen Anordnungen und seiner Regierungstätigkeit ausgingen. So werde die Beratung des Führers durch Vertrauensmänner des Volkes, durch hervorragende Persönlichkeiten aus allen Erwerbszweigen und Bevölkerungsschichten zu einem außerordentlich wichtigen Grundsatz der Staatsführung. Natürlich dürfe das Führerprinzip dadurch nicht geschmälert werden. Die Entscheidung bleibe beim Führer, als dem Leiter der politischen Staatsgeschäfte.“

Zu den ehrenamtlichen preußischen Staatsräten gehörte auch der Mülheimer Industrielle Fritz Thyssen. Er war einer der frühen Förderer Adolf Hitlers gewesen. Thyssen hatte sich im November 1932 beim Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler eingesetzt. Fritz Thyssen ging auch im Sommer 1933 als Leiter des Düsseldorfer Institutes für Ständewesen davon aus, dass die Nationalsozialisten in seinem Sinne in Deutschland eine ständische Gesellschaftsordnung aufbauen würden. Dementsprechend erklärten sein Direktor Carl Wallmann und er bei einer Jubilarehrung der Vereinigten Stahlwerke am 10. Juli 1933: „Wenn auch heute die Schatten der Wirtschaftsnot, die lange über unserem Volk gelagert haben, erst langsam beginnen, sich zu zerstreuen, so können wir doch schon mit einer zuversichtlicheren Hoffnung den vor uns liegenden Zeiten entgegensehen. Wir sind deshalb bemüht, den Geist zu pflegen und zu fördern, den wir in der Arbeitsgemeinschaft im engeren Sinne und in der Volksgemeinschaft im weiteren Sinne zusammenfassen.“

Am 13. Juli 1933 landet Göring kurz nach 19 Uhr auf dem Flughafen Essen/Mülheim. Seine Adjutanten und sein Schwager begleiten ihn. Als ehemaliger Luftwaffenpilot hat der Minister das Flugzeug, das ihn aufgrund dringender Amtsgeschäfte mit vier Stunden Verspätung von Berlin nach Mülheim gebracht hat, selbst gesteuert.

Als Empfangskommando erwarten Göring der Essener Gauleiter Terboven, der städtische Beigeordnete Dr. Peill (in Vertretung des Oberbürgermeisters Wilhelm Maerz), der Industrielle Fritz Thyssen, Mülheims ältester SA-Mann, der damals 58-jährige Peter Hees, und Polizeipräsident Riederhoff. Eine Tochter des Beigeordneten Peill überreicht Göring einen Rosenstrauß in den Stadtfarben rot und gelb.

Die Geduld der Schulkinder sowie der SA,- SS- und Stahlhelm-Männer, die auch an der zur Adolf-Hitler-Straße gewordenen Friedrichstraße bei der Durchfahrt Görings Spalier stehen sollen, wird auf eine harte Probe gestellt.

„Bei der Fahrt durch die Fahnen geschmückten Straßen wurde Hermann Göring jubelnd begrüßt“, hält die gleichgeschaltete Lokalpresse pflichtschuldig fest. Von Mülheim aus fahren Göring und Thyssen nach Duisburg, wo sich Göring ein Bild von den dortigen Stahlwerken macht. Anschließend kehrt er nach Mülheim zurück, um bei seinem Gastgeber Fritz Thyssen an der Großenbaumer Straße zu übernachten.

Tags darauf fährt Göring zu Gesprächen mit der dortigen Stadtverwaltung nach Essen, um dort die Ehrenbürgerschaft entgegenzunehmen. Mülheim hat den Reichskanzler Adolf Hitler und den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg in vorauseilendem Gehorsam und dem politischen Zeitgeist folgend bereits am 30. März 1933 zu Ehrenbürgern der Stadt gemacht.

14. Juli 1933: Um die Mittagszeit fährt Göring mit seinem Konvoi noch einmal durch Mülheims Straßen in Richtung Flughafen. Dort macht er sich ein Bild vom Training des NS-Fliegerkorps. Anschließend isst er im Flughafenrestaurant zu Mittag. Als Abschiedskommando sind am Flughafen eine Einheit bewaffneter Schutzpolizisten und erneut Schulkinder angetreten. Um 14:20 Uhr hebt die Maschine des Ministers in Richtung Berlin ab. Vor seinem Abflug sagt Göring in einer kurzen Ansprache: „Wenn wir auch mal etwas falsch machen, schadet es doch nichts. Die Hauptsache ist, dass wir überhaupt irgendetwas tun. Es kommt nicht so sehr darauf an, was im Augenblick auf dem Spiel steht, als vielmehr auf das, was wir damit anfangen. Und wir werden auch in der kommenden Zeit alles tun, was wir können, solange wir sind. Und auch das muss Wahrheit werden: Wir, die wir heute die alten Kämpfer sind, werden einst die alten Veteranen sein, die von unserem jungen Volk ruhmvoll geehrt werden. Doch das was wir sehen und erleben durften, haben wir allein dem Führer zu verdanken, ohne den Deutschland gebrochen wäre. Das wollen wir nie vergessen.“

Am 15. Juli 1933 widmet die Lokalpresse Göring ein Portrait unter dem Titel: „Der Mann, der Mülheim grüßte.“ In diesem Beitrag werden seine Verdienste um die nationalsozialistische Bewegung gewürdigt. Die Mülheimer Zeitung bezeichnet Hitler als „deren Schöpfer und Seele“ und Göring als „deren Hirn und Arm“. Hitler und Göring werden als Männer dargestellt, die an „ihrer gewaltigen Aufgabe zu ihrer heutigen Größe gewachsen“ seien. 

Fünf Jahre nach Görings Stippvisite wird die 1929 errichtete Brücke zwischen Menden und Saarn, die Hermann Göring im Juli 1933 mit seinem Konvoi passiert hat, seinen Namen erhalten und diesen bis Mai 1945 tragen. Wie fast alle anderen Brücken wird auch die Mendener Brücke bei Kriegsende von den sich zurückziehenden Wehrmachtseinheiten im April 1945 gesprengt. Auch das ist ein Sinnbild für die von Göring mitgestaltete und mitgetragene NS-Politik sowie deren zerstörerische und menschenfeindliche Wirkung. Am 1. Oktober 1946 nimmt sich der verurteilte Kriegsverbrecher Göring in seiner Nürnberger Zelle das Leben.


Autor: Thomas Emons