Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren.
Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht er das Gymnasium in Tanzenberg und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im März 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen, erscheint sein erster Roman Die Hornissen. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks Publikumsbeschimpfung in Frankfurt in der Regie von Claus Peymann.
Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfasst, erinnert sei an:
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1969), Der kurze Brief zum langen Abschied (1971), Die linkshändige Frau (1976), Langsame Heimkehr (1979), Die Lehre Sainet-Victoire (1981), Der Chinese des Schmerzes (1983), Die Wiederholung (1986), Mein Jahr in der Niemandsbucht (2004), Der Bildverlust (2002) sowie 2008 Die morawische Nacht.
Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove (unter anderem Meine Freunde), René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy.
Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen geehrt.
Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen (auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten) erklärte er selbst 2007 mit den Worten: „Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.“
Stücke
Publikumsbeschimpfung UA: 08.06.1966, Experimenta I Frankfurt am Main, TAT – Theater am Turm, Regie: Claus Peymann
Selbstbezichtigung UA: 22.10.1966, Städtische Bühnen Oberhausen, Regie: Günther Büch
Weissagung UA: 22.10.1966, Städtische Bühnen Oberhausen, Regie: Günther Büch
Hilferufe UA: 12.09.1967, Städtische Bühnen Oberhausen, Deutsche Theaterwoche Stockholm, Regie: Günther Büch
Kaspar UA: 11.05.1968, TAT – Theater am Turm Frankfurt / Städtische Bühnen Oberhausen, Regie: Claus Peymann / Günther Büch
Das Mündel will Vormund sein UA: 31.01.1969,TAT – Theater am Turm Frankfurt, Regie: Claus Peymann
Quodlibet UA: 24.01.1970, Theater Basel, Regie: Hans Hollmann
Der Ritt über den Bodensee UA: 23.01.1971, Schaubühne am Halleschen Ufer Berlin, Regie: Claus Peymann und Wolfgang Wiens
Die Unvernünftigen sterben aus UA: 17.04.1974, Theater am Neumarkt Zürich, Regie: Horst Zankl
Über die Dörfer UA: 08.08.1982, Salzburger Festspiele, Regie: Wim Wenders; Deutsche EA: 30.12.1982, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Regie: Niels-Peter Rudolph – „Stücke ´83“
Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land UA: 13.01.1990, Burgtheater Wien, Regie: Claus Peymann; Deutsche EA: 20.12.1990, Staatsschauspiel im Ballhof Hannover, Regie: Matthias Fontheim – „Stücke ´91“
Die Stunde, da wir nichts voneinander wußten UA: 09.05.1992, Produktion des Burgtheaters Wien im Rahmen der Wiener Festwochen im Theater an der Wien, Regie: Claus Peymann; Deutsche EA: 13.03.1993, Schauspielhaus Bochum, Regie: Jürgen Gosch – „Stücke ´93“
Zurüstungen für die Unsterblichkeit UA: Burgtheater Wien, 08.02.1997, Regie: Claus Peymann; Deutsche EA: 15.03.1997, Schauspiel Frankfurt, Regie: Hans Hollmann – „Stücke ´97“
Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg UA: 09.06.1999, Burgtheater Wien, Regie: Claus Peymann
Untertagblues UA: 30.09.2004, Berliner Ensemble, Regie: Claus Peymann; Österreichische EA: 07.10.2004, Burgtheater Wien, Regie: Friederike Heller – Einladung „Stücke ´05“ (Peter Handke nahm auf eigenen Wunsch nicht am Wettbewerb teil.)
Spuren der Verirrten UA: 17.02.2007, Berliner Ensemble, Regie: Claus Peymann
Bis daß der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts UA: 04.11.2008, Comedie de Valence, Regie: Christophe Perton; Österreichische EA: 09.08.2009, Salzburger Festspiele, Regie: Jossi Wieler
Immer noch Sturm UA: 12.08.2011, Salzburger Festspiele, Regie: Dimiter Gotscheff – „Stücke 2012“
Preise (Auswahl)
2004 Siegfried Unseld Preis
2008 Thomas-Mann-Literaturpreis
2009 Goldenes Kreuz des Fürsten Lazar, Serbischer Literaturorden
Immer noch Sturm
Thalia Theater Hamburg / Salzburger Festspiele
Es ist ein großes, waidwundes „Ich“, das uns da im Papierschnitzelregen auf Kathrin Bracks weiter, leerer Bühnenflur begegnet: Peter Handke selbst, respektive sein Alter Ego in Gestalt des grandios eigenwilligen Schauspielers Jens Harzer führt uns hinaus auf das Jaunfeld, jenes Gebiet der Kärntner Slowenen, aus dem Handkes Familie stammt. Hier lässt der Autor seine Vorfahren wieder lebendig werden – die Mutter, die Tante, die Onkel, die Großeltern –, beschwört ihre Geschichte, ihre Sprache, ihre von den Repressionen der NS-Politik bedrohte Kultur. Es waren die Kärntner Slowenen, die als einzige Volksgruppe im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Deutschland bewaffneten Widerstand leisteten - Handke baut das mit ein in die Familiengeschichte -, doch Österreich hat ihnen das nie gedankt. Nach dem Krieg gehörten sie wieder zu den Randgruppen, wurden als Landesverräter im Dienst des kommunistischen Jugoslawiens verfolgt.
„Immer noch Sturm“ ist Peter Handkes persönlichstes, durchlässigstes Stück, ein traumatisch-dramatisches Gedicht, in dem sich Familien- und Weltgeschichte bitter verzahnen, das Private sich im Allgemeinen wie in einem historischen Vexierspiegel bricht und leuchtende Erinnerungen „auftanzen“ an eine untergegangene Welt. In einer Vielzahl von Stimmen und Spielszenen, denen Dimiter Gotscheff in seiner Inszenierung so viel Raum wie Empathie gewährt, entwirft Handke ein großflächiges Panorama mit Blick auf die Verlierer der Geschichte. Das ist mit entwaffnender Leichtigkeit und einer schönen, fast heiteren Poesie geschrieben. Man fühlt sich zuhause an diesem wehmütigen Theaterabend, geborgen in der Sprache, die uns Menschen Heimat ist.
Christine Dössel
Uraufführung am 12. August 2011 in Salzburg
Regie: Dimiter Gotscheff
Bühne: Katrin Brack
Kostüme: Ellen Hofmann
Musik: Sandy Lopicic
Musiker: Matthias Loibner, Sandy Lopicic
Dramaturgie: Beate Heine
Mitarbeit Fassung: Ivan Panteleev
Mit
ICH: Jens Harzer
Mutter des ICH: Oda Thormeyer
Ursula, Schwester der Mutter: Bibiana Beglau
Gregor, ältester Bruder der Mutter: Tilo Werner
Valentin, zweitälteste Bruder der Mutter: Hans Löw
Benjamin, jüngster Bruder der Mutter: Heiko Raulin
Großvater: Matthias Leja
Großmutter: Gabriela Maria Schmeide
Aufführungsdauer: ca. 4 Stunden, eine Pause
Aufführungsrechte: Suhrkamp Verlag, Berlin
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