Mölmsch Platt als niederfränkische Mundart
Kurze, allgemeinverständliche Darstellung der Sprachhistorie
Unter Platt verstehen viele Menschen eine Vereinfachung oder gar Verschlechterung des Hochdeutschen, so als seien die Sprecher nicht in der Lage, allgemeinverständlich zu reden. Es ist noch gar nicht so lange her, da galt Platt in Mülheim als ungebildet und wurde Kindern von ihren Eltern verboten.
In Wahrheit wäre Hochdeutsch ohne Platt gar nicht erst entstanden. Es war einmal viel allgemeinverständlicher als es Hochdeutsch jemals sein wird. Kennt man den alten Wortschatz doch auch in England, Schweden, Dänemark, Norwegen, Island und nicht zuletzt in den Niederlanden. Platt war nämlich als Niederfränkisch ein Teil der eng verwandten germanischen Sprachen. Sprachwissenschaftler haben durch Vergleiche von Wörtern in alten Schriften festgestellt, dass das Germanische durch Verschiebung einzelner Laute aus einer noch älteren Sprachgemeinschaft entstanden sein muss, die bis nach Indien reichte. Dieser Ursprache gab man den theoretischen Namen Indoeuropäisch (ca. 5000 ~ 1500 v. Chr.). Dazu gehörte auch Lateinisch. Durch die sogenannte 1. Lautverschiebung (ca. 1500 v. Chr. ~ 500 n. Chr.) wurde z.B. aus lat. pater, niederfränkisch vaader, engl. father, also aus dem starken p ein weicher f-Laut. Andererseits wurde ein weiches b zu einem starken p (lat. baculum, germ. Pegel). Warum die Germanen allmählich bestimmte Laute (p, aber auch t und k, usw.) der indoeuropäischen Ursprache anders aussprachen, kann bis heute niemand schlüssig erklären. Fest steht aber, dass es später in Deutschland noch eine 2. Lautverschiebung (ca. 500 ~ 1050 n. Chr.) gab, die nicht alle mitmachten. (Daag wurde hier nicht zu Tag, Tiit nicht zu Zeit und aus Wief wurde kein Weib usw.).
Diejenigen, die solcherart am alten Germanisch festhielten, sprachen nun innerhalb Deutschlands Niederdeutsch und die, welche die Lautänderungen mitmachten, sprachen nun Hochdeutsch (nicht zu verwechseln mit einer besonderen Schriftsprache Hochdeutsch). Die gedachte Trennungslinie ist die sogenannte Benrather Linie. Sie läuft etwa in der Höhe von Düsseldorf in West-Ost-Richtung quer durch Deutschland. Da Mülheim nördlich dieser Linie liegt, hat es den Anschluss an das Hochdeutsche verpasst und gehört zum niederdeutschen Sprachgebiet. Übernational gesehen aber sind wir durch unser Mölmsch weiter mit den anderen germanischen Sprachen verbunden, z.B. mit dem Englischen, Dänischen, Schwedischen und dem Niederländischen. Besonders wegen der Aussprache des g-Anlautes wird Mölmsch oft mit dem Niederländischen verglichen. Und es wurde immer wieder behauptet, durch Handel und Verkehr sei die Sprache aus Holland "eingeführt" worden. Wenn man aber weiß, dass wir zusammen mit den Niederlanden immer schon zum niederfränkischen Sprachgebiet gehören, ist diese Herleitung müßig. Das Anlaut-g als Reibelaut (wie ch in Kuchen) kennt man auch in anderen niederdeutschen Dialekten. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass der Kontakt mit den Niederländern, aber auch den Franzosen zu Besatzungszeiten, den Wortschatz bereicherte. Dasselbe gilt natürlich in noch größerem Maße für die Hochsprache und die Dialekte der Umgebung.
Dem Mölmsch sehr ähnlich ist das Werdener und auch das Kettwiger Platt, das sich schon mit dem Bergischen mischt. Essen gehört bereits zum westfälischen Sprachraum. Oberhausen (Holten) und Duisburg (Ruhrort) sprachen ein kleverländisches Niederfränkisch.
Einzigartig steht Mölmsch mit dem "sche" ("je") für "dir/dich" da. Wie etwa in diesem wenig einladenden, dafür aber um so sprach- und bildkräftiger überlieferten Ausspruch:
"Ick schnitt'sche de Keel aaf, schmitt'sche in de Ruur un lott'sche driive!"
Ausführliche Darstellung der Sprachhistorie in:
Franz Firla: RuSaKeWe – Mundartanthologie der unteren Ruhr; Hilberath&Lange, 2008
Weitere Links:
Informationen mit Literaturliste:
http://de.wikipedia.org/wiki/Mölmsch_(Dialekt)
Link zu Mundarttexten der Nachbarstädte:
Oberhausen-Holtener Platt:
http://home.wtal.de/otterpohl/mundart.html
Link zu Mundart-Karten:
http://titus.fkidg1.uni-frankfurt.de/didact/karten/germ/deutdim.htm
Mölmsch als Mitglied der westgermanischen Sprachfamilie
Mölmsch |
Huus |
ut |
Ruute |
Milk |
Schwedisch |
hus |
ut |
ruta |
mjölk |
Dänisch |
hus |
ud |
rude |
mjölk |
Norwegisch |
hus |
ut |
rute |
melk |
Niederländisch |
huis |
uit |
ruit |
melk |
Hochdeutsch |
Haus |
aus |
Fensterscheibe, Raute |
Milch |
Stand: 17.01.2018
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