Archiv-Beitrag vom 03.04.2014Bekanntgabe der Ruhrpreisträger 2014
Zwei bildende Künstler erhalten die hohe Auszeichung
Der 53. Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft geht in diesem Jahr an den Fotografen Prof. Michael Kerstgens und der Förderpreis an die Schauspielerin Dagmar Geppert.
Der Kulturausschuss hat in seiner nichtöffentlichen Sitzung am 28. März 2014 auf Empfehlung des Vorbereitungsgremiums einstimmig beschlossen die Auszeichung an zwei bildende Kunstschaffende zu geben. Der Hauptpreis ist mit 3.000 Euro, der Förderpreis mit 2.500 Euro dotiert.
Die Entscheidung ist wie folgt begründet worden:
Prof. Michael Kerstgens
Mit der Vergabe des Ruhrpreises für Kunst und Wissenschaft für das Jahr 2014 an Prof. Michael Kerstgens gilt es, ein künstlerisches Werk auszuzeichnen, das über viele Jahre mit bewundernswerter Konsequenz gewachsen ist.
Prof. Michael Kerstgens setzt seine Kamera in dem Bewusstsein ein, um gesellschaftlichen Randgruppen Beachtung zu geben. Er versteht sich dabei nicht als ein ausschließlich auf Objektivität gerichteter Dokumentarfotograf, sondern als Kunstschaffender, der in seinen Werken im weitesten Sinne auch eine politische Aussage zu transportieren sucht. Vielfältige Reisen haben dabei immer neue Aspekte menschlichen Lebens, aber auch Schicksale in den Fokus seiner Kamera gerückt. Seine Fotos sind eine Quintessenz aus dokumentarischen Ansichten und inszenierten Charakterstudien. Besonders herauszuheben ist seine über viele Jahre hinweg verfolgte Thematik der nach Deutschland eingewanderten russischen Juden, die unser Verständnis für den Wandel in unserer Gesellschaft, der sehr stark beeinflusst wird durch den Zuzug von Menschen aus vielen Ländern und Kontinenten, positiv beeinflusst hat. Auch sein aktuelles Buch „Cole not dole“ über die Bergarbeiterstreiks in England in den Jahren 1984/85 zeigt sehr eindrucksvoll, wie ein Prozess das Leben von vielen Menschen geformt und das Land verwandelt hat. Vielen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt werden seine Einzelausstellungen im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr sowie sein Fotografie-Projekt im öffentlichen Raum auf großformatigen Wahlplakatwänden mit Portraits geistig behinderter Menschen noch in guter Erinnerung sein.
Dagmar Geppert
Die Schauspielerin Dagmar Geppert erhält den Förderpreis des Ruhrpreises für Kunst und Wissenschaft für das Jahr 2014.
Dagmar Geppert gibt den von ihr dargestellten Rollen die Gesichter vieler unterschiedlicher Menschen. Sie beweist in ihrer Rolle als alternde Diva Marlene in Roberto Ciullis Inszenierung „Clowns 2 ½“ den Mut zur Hässlichkeit. Die von ihr dargestellte Marie in Büchners „Woyzeck“ hingegen ist von einer betörenden Sinnlichkeit. Als bodenständige Kammerzofe Franziska in Lessings „Minna von Barnhelm“ wurde sie von der Presse als „komisches Ereignis“ gefeiert. Ob sie schreit oder zärtlich flüstert, jauchzt oder schluchzt, singt oder spricht, immer denkt sie, was sie sagt. Immer ist ihr die Wortdeutlichkeit, die Schönheit der Sprache, der Sinn des Gesprochenen wichtig. Dazu besitzt sie den Klang von zwei Stimmen: ein dunkles, sinnlich raues Sprechorgan und einen klaren Sopran. Als Zuschauer bedürfen wir der lebendigen Wahrheit der Dagmar Geppert, ihrer zarten Anmut, ihres ironischen Witzes, ihrer Poesie, ihres geheimnisvollen Zaubers, mit dem sie ihre Figuren zum Leben erweckt.
Darüber hinaus erteilt Dagmar Geppert den jungen theaterbegeisterten Mitgliedern des Jungen Theater an der Ruhr Sprach-, Atem- und Körpertraining.
"Kein Scherz"
Dagmar Geppert hatte zunächst an einen Scherz geglaubt, als sie den Anruf von Kulturdezernent Ulrich Ernst erhielt, sie erhielte den Förderpreis zum Ruhrpreis 2014. "Ich habe gar nicht damit gerechnet und freue mich wahnsinnig. Dies ist eine große Ehre für mich", sagte sie bei der offiziellen Bekanntgabe am 3. April im Historischen Rathaus.
Was es umso ehrenvoller macht: Dagmar Geppert ist seit 1999 die erste Frau, die mit dem Ruhrpreis ausgezeichnet wurde. Damals erhielt ebenfalls eine Schauspielerin des Theater an der Ruhr die begehrte Auszeichnung, Simone Thoma. "Insgesamt sind in der Geschichte des Ruhrpreises weder in der bildenden Kunst noch in der Wissenschaft viele Frauen ausgezeichnet worden. Das diesmal eine Frau dabei ist, freut auch mich sehr," so Beigeordneter Ernst.
Sven Schlötcke, Geschäftsführer des Theater an der Ruhr und ebenfalls Ruhrpreisträger 1988, lobte Dagmar Geppert als eine Schauspielerin mit enormer gedanklicher Schärfe und zudem einer hohen Emotionalität. Dies sei selten.
Dabei hätte die Dreiunddreißigjährige ihren Beruf fast an den Nagel gehängt. Dass dem nicht so ist, verdanke Dagmar Geppert dem Theater an der Ruhr, von dem sie erst nach fünf Bewerbungen zum Vorsprechen eingeladen wurde. "Ich war hartnäckig und bin froh, bei diesem außergewöhnlichen Theater gelandet zu sein. Hier habe ich auch den Raum für meine Arbeit, was an anderen reinen Theater-Produktionsstätten nicht so ist. Dafür bin ich sehr dankbar."
"Große Ehre"
Auch für den Fotografen Prof. Michael Kerstgens ist der Ruhrpreis eine große Ehre. Er erfuhr ebenfalls telefonisch durch Kulturdezernent Ulrich Ernst von der Auszeichnung. "Mitten in einer Ausstellungspräsentation klingelte mein Handy, vor all meinen Studenten und Gästen... ein echter Klassiker," erzählte Kerstgens amüsiert von diesem Erlebnis. Als "alter" Mülheimer habe er sich ebenfalls riesig über den Anruf gefreut und hätte "im Leben nicht daran gedacht, mal unter den Preisträgern zu sein."
Kerstgens ist in Mülheim aufgewachsen und der Ruhrstadt, obwohl jetzt wohnhaft in Oberhausen, noch immer sehr verbunden. Er kenne den Ruhrpreis seit 1972, als mit dem Komponisten Wolfgang Hufschmidt der Vater seines damals besten Freundes ausgezeichnet wurde. Im Agnoli-Café auf der Schloßstraße, vielen Mülheimern noch ein Begriff, habe er außerdem schon als Student mit vielen Ruhrpreisträgern der vergangenen Jahre Kontakt gehabt... mit Helge Schneider oder Christoph Schlingensief.
Anders als bei einem Schaupieler sehe man bei einem Fotografen nie das Gesicht hinter der Arbeit. "Umso schöner, wenn man als Persönlichkeit in seiner Heimatstadt Mülheim doch so wahrgenommen wird," freut sich Kerstgens.
Die Preisverleihung findet voraussichtlich im September statt.
Weitere Informationen zu den (bisherigen) Ruhrpreisträgern und dem Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft der Stadt Mülheim an der Ruhr finden Sie auf dem Kulturportal.
Kontakt
Stand: 03.04.2014
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