"Das mölmsche Alphabet"
Aus "Die Mülheimer Mundart und ihre Schreibung" von Dr. Otto Andrae im Mülheimer Jahrbuch 1950: Andrae beklagt die "Unsicherheit und Uneinheitlichkeit" bei der Schreibung der Mundart und schlägt Lösungsmöglichkeiten vor. Er beschreibt zunächst die Möglichkeit der internationalen Lautschrift wie sie E. Maurmann ausschließlich verwendet hat. Die phonetischen Zeichen könnten zwar jeden Laut darstellen, seien aber für eine breitere Leserschaft ungeeignet.
Er habe in seiner Dissertation über die Mülheimer Schiffersprache ebenfalls zunächst phonetische Zeichen verwendet, aber in einer Neufassung 1941 ein Mittelding zwischen phonetischer und allgemein üblicher Schreibweise entwickelt. Dabei wurden über den Buchstaben wie a, u, ü kleinere Buchstaben wie o oder ö gedruckt (Beispiel: Bord, nicht Bood sondern Bååd), um die spezielle Klangfärbung anzugeben. Es gehe eben nicht nur darum durch Verdoppelung die Länge eines Vokals anzuzeigen, sondern in diesem Falle auch um die Offenheit. (eben die typische Mülheimer Klangfärbung Anm. F.F.). Dann fährt er fort:"Diese gleichzeitige Wiedergabe zweier Laute (z.B. o und u) zur Darstellung des Lautes, der in Wirklichkeit zwischen beiden liegt, z.B. im Mülheimer Wort für hochdeutsch "Buch" kann und darf natürlich, wie es für jeden Sprachkenner selbstverständlich ist, nicht in ein Hintereinander der beiden Laute aufgelöst werden. Man kann also nicht "Bouk" schreiben, weil das ou ein Doppellaut wäre, der für Wörter wie Boum ("Boum") oder dou ("u") vorbehalten bleiben muß. Ebensowenig kann man aber "Buok" schreiben, weil das uo darin ebenfalls ein Doppellaut wäre, den man auch so aussprechen würde, und durch den man zwar einen langen, aber einfachen (einzelnen Anm. d.R.)Laut nun einmal nicht wiedergeben kann. Die einzige wirkliche Lösung wäre eben "u" mit einem kleinen "o" darüber. Da solche Buchstaben oder Typen nur im sogenannten Handsatz einer wissenschaftlichen Druckerei, nicht aber im Maschinensatz einer Zeitungsdruckerei zu finden sind, bleibt eben nichts anderes übrig, als sich in Fällen wie Book ("Buch), Foot ("Fuß"), roope ("rufen") usw. mit dem einfachen langen Laut, also "oo" zu begnügen, den gleichen Laut kurz aber mit "u", z.B. chutt ("gut"), butt ("grob") wiederzugeben. Den entsprechenden langen Umlaut schreiben wir "öö", also z.B. Flöögel ("Flügel"), Schlöötel ("Schlüssel"), den kurzen dagegen ü mit Verdoppelung des folgenden Mitlauters, z.B. Schüppe ("Spaten"), Düppe ("Topf") usw. Im folgenden ist Andrae zu Konzessionen bereit, wenn Verwechslungen auszuschließen sind. Man könne Boad ("Bord") oder Woat ("Wort") oder auch Toan ("Turm") schreiben, weil es dem richtigen Laut näherkomme als eine falsch ausgesprochene o-Verdoppelung!
(Für den langen Laut zwischen e und i schließlich, der im richtigen "Mölmschen Alphabet" von 1943 als e mit i-Punkt erscheint, hat sich der Ausweg gefunden, daß er durch ein e mit einem liegenden Doppelpunkt (Trema) darüber, also ë wiedergegeben wird).
Zusammenfassung: A. Vokale
1. Offene Vokale |
||||
Beispiel |
Buch |
Bord |
Licht |
zehn |
hochdeutsch |
u |
o |
i |
|
mölmsch |
langer Einzellaut zwischen o und u |
langer Einzellaut zwischen a und o |
l.E.z. e und i |
|
mißverständlich |
ou oder uo |
oo |
ee |
|
Schreibkompromiss |
oo |
oa |
ë |
tëhn |
Beispiele |
Book, Foot,roope |
Boad, Woat |
Lëëch |
|
derselbe Laut kurz wird dargestellt als |
u mit anschließender Konsonatenverdoppelung |
o mit... |
i mit... |
|
Beispiele |
chutt |
Chott |
chitt |
|
Umlaut-lang |
öö |
öä |
||
Beispiele |
Flöögel, Schlöötel |
Wöät, Döän |
||
Umlaut-kurz |
ü |
ö |
||
Beispiele |
Schüppe, Düppe |
schlöpp, Knöckske |
(Das "Dazwischen" der obigen Laute bezieht sich nicht auf eine eigentümliche Aussprache z.b. des hochdeutschen u, sondern rührt von der Lautung vor der 2. Lautverschiebung her. Anm. F.F.)
2. Nach geschlossenen Vokalen –i,o,ö,u,ü- keine Konsonantenverdopplung! Sonst würde der Vokal offen gesprochen.
wit(Farbe weiß) – i kurz und geschlossen, aber witt (wissen) –i offen
Pot (Topf), aber hee pott (er pflanzt)
hee schüt (er schießt), aber hee schütt (schüttet)
Mölm" ist die richtige Schreibung, weil das ö kurz und geschlossen gesprochen wird.
"Möllem" oder "Möllm" würde offen wie "Köln" klingen!
B. Konsonanten:
et üss chutt, aber: et üs all chutt
hee heet et checheewe, aber: hee heet et me-i gecheewe
Im übrigen gelte der Grundsatz: Schreibe, wie du sprichst!Zwei Beispiele für schwierige Unterscheidungen:
Mölmsch |
hochdeutsch |
Mölmsch |
hochdeutsch |
Toon |
Ton (musikalisch) |
Pot |
Topf |
Toan |
Turm |
pott |
planzt |
Doan |
Dorn |
poote |
pflanzen |
doon |
tunPoate |
Poate |
Pforte, Tor |
Tuun |
Zaun |
Puate |
Pfote |
Tunn |
Tonne |
Boad |
Bord |
Boot |
Boot |
Andrae möchte durch seine Anmerkungen zur Schreibweise das mundartliche Schrifttum als Anregung zum weiteren Gebrauch der Mundart besser unter die Leute bringen ("nährender Boden").
Aber gleichzeitig ist ihm klar, dass Mölmsch im Alltag bereits vom Aussterben bedroht ist.
Stand: 04.04.2018
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