Archiv-Beitrag vom 07.10.2011Haushaltsplanentwurf 2012 ff. in den Rat eingebracht
Stadtkämmerer Uwe Bonan brachte in der Ratssitzung am Donnerstag,
6. Oktober 2011 im AquaMax der RWW den Haushaltsplanentwurf 2012 ff. ein.
In seiner Etatrede sprach Bonan zu Beginn von „sehr unruhigem Fahrwasser“, in dem sich die Stadt Mülheim an der Ruhr befinde "Wind und Wetter beeinflussen unsere Fahrt. Daran können wir hier so schnell nichts ändern. Aber wir müssen damit umgehen. Müssen unser Schiff auf Kurs bringen und schließlich wieder Fahrt aufnehmen. Wie wir das schaffen können, darüber möchte ich jetzt sprechen," so der Stadtkämmerer.
Er stellte klar, dass bis 2015 kein Haushaltsausgleich darzustellen sei...
"Wir können es aber bis 2020 schaffen. Sie fragen sich sicher: Wieso 2020? Warum dürfen wir überhaupt über einen so langen Zeitraum planen? Mit der Änderung des § 76 der Gemeindeordnung NRW wurde der mögliche Ausgleichszeitraum bis 2021 erweitert. Wir können es ein Jahr eher schaffen. Damit haben wir die Grundlage geschaffen, ab dem nächsten Jahr wieder aus dem Nothaushalt herauszukommen. Und das ist die entscheidende Botschaft für heute!"
Uwe Bonan gab den Ratsmitgliedern in seiner diesjährigen Rede einen Überblick über die Haushaltssituation, zeigte Ursachen, Hintergründe und Konsequenzen auf und stellte abschließend den weiteren Weg zur Konsolidierung vor.
Die gesamte Etatrede des Stadtkämmerers zur Einbringung des Haushaltsplanentwurfes für das Jahr 2012 ff. nebst entsprechender Folien können Sie in der beigefügten Datei zum Kontext nachlesen.
Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld hat in diesem Jahr dem Kämmerer "den Vortritt gelassen". Sie sprach im Anschluss an Uwe Bonan zu den Ratsmitgliedern und anwesenden Vertretern aus Bürgerschaft und Verwaltung: "Der Stadtkämmerer hat Ihnen die Rahmenbedingungen aufgezeigt, unter denen wir schon nächstes Jahr wieder aus dem Nothaushalt rauskommen können. Wir haben hier einen realistischen Weg aufgezeigt. Den haben wir hart erarbeitet, und das ist uns nicht leicht gefallen. Er ist hart und mühsam, aber ich sehe keinen anderen, wenn wir uns die Chance erhalten wollen, unsere Zukunft wieder selbst zu gestalten," so das Stadtoberhaupt.
Alle Fakten und Zahlen liegen vor; in Tabellen, in Einnahmen und Ausgaben aufgelistet und vom Kämmerer umfassend erläutert. OB Mühlenfeld: "Würde ich jetzt behaupten, damit lägen auch die Schlussfolgerungen oder gar die Lösungen auf der Hand, wäre das mindestens voreilig. Wissen wir doch alle, dass Fakten von verschiedenen Betrachtern sehr unterschiedlich interpretiert werden können. Was also tun wir, tun Sie jetzt? Wie interpretieren Sie das Ihnen Vorgelegte? Welche Akzente werden Ihre Fraktionen setzen und welche Rolle wird in diesem Prozess Ihre Meinung spielen?"
Für Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld sei es dabei ganz wesentlich, alle Mittel und Kräfte einzusetzen, um ein lebenswertes, friedvolles und zukunftsfähiges Mülheim zu erhalten. Sie ist überzeugt davon, dass es dafür tragende Säulen braucht, "ohne die wir dieses Ziel nicht erreichen" - Entscheidende und wichtige Säulen wie "Familienfreundlichkeit und Generationsgerechtigkeit", "Integration", "Bildung", "Sport, Kultur und Freizeit", Wirtschaft", "Klimawandel" und "Sicherheit und Sauberkeit".
Auch die Haushaltsrede der Oberbürgermeisterin können noch einmal in der Datei zum Kontext oder im Online-Haushaltsforum nachlesen.
Etatrede
des Stadtkämmerers Uwe Bonan
zur Einbringung des Haushaltsplanentwurfes
für das Jahr 2012 ff.
Es gilt das gesprochene Wort!
Sperrfrist: 06.10.2011, 18 Uhr
(FOLIE 1)
(FOLIE 2)
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir befinden uns in „sehr unruhigem Fahrwasser“ - immer noch. Wind und Wetter beeinflussen unsere Fahrt. Daran können wir hier so schnell nichts ändern. Aber wir müssen damit umgehen. Müssen unser Schiff auf Kurs bringen und schließlich wieder Fahrt aufnehmen.
Wie wir das schaffen können, darüber möchte ich jetzt sprechen.
Bis 2015 können wir keinen Haushaltsausgleich darstellen!
Wir können es aber bis 2020 schaffen. Sie fragen sich sicher: Wieso 2020? Warum dürfen wir überhaupt über einen so langen Zeitraum planen? Mit der Änderung des § 76 der Gemeindeordnung NRW wurde der mögliche Ausgleichszeitraum bis 2021 erweitert. Wie Sie hier sehen (FOLIE 3), können wir es ein Jahr eher schaffen.
Damit haben wir die Grundlage geschaffen, ab dem nächsten Jahr wieder aus dem Nothaushalt herauszukommen. Und das ist die entscheidende Botschaft für heute!
Ich werde Ihnen in meiner diesjährigen Rede
- einen Überblick über die Haushaltssituation geben,
- Ursachen, Hintergründe und Konsequenzen aufzeigen und
- abschließend den weiteren Weg zur Konsolidierung vorstellen.
Steigen wir nun etwas detaillierter in das vorliegende Zahlenwerk ein. (FOLIE 4)
Das mit dem Haushaltsplanentwurf ausgewiesene Defizit beträgt für das Jahr 2012 rund 74,27 Mio. Euro. In der Mittelfristplanung haben wir in 2013 voraussichtlich noch ein Defizit von rund 62,90 Mio. Euro, in 2014 sind es rund 53,94 Mio. und in 2015 schließlich rund 43,76 Mio.
Ich höre schon die Stimmen: „Ja, ja, im letzten Jahr wurde für 2012 doch noch von einem Defizit von rund 45,80 Mio. Euro für 2012 gesprochen. Das sind ja nun rund 28 Mio. Euro mehr. Da hat die Verwaltung ihr Ziel ja wieder mal gründlich verfehlt!“
Ja, wir haben tatsächlich ein um rund 28 Mio. Euro höheres Defizit als ursprünglich erwartet. Aber ich stelle fest: wir konnten die Negativkurve der letzten Jahre stoppen. (FOLIE 5).Das Jahresergebnis 2010 lag bei einem Minus von über 100 Mio. Euro, die aktuelle Prognose für 2011 liegt sogar bei über 115 Mio. Euro. Die aus der Planung 2012 hervorgehende Prognose von 74,27 Mio. Euro können wir in diesen Zeiten daher durchaus als eine positive Entwicklung bewerten.
Mir ist es wichtig zu erklären, warum sich das planerische Defizit für 2012 so immens verschlechtert hat. Schauen wir uns die 5 entscheidenden Punkte an:
1. Starker Anstieg der Gewerbesteuer bleibt aus: (FOLIE 6)
Im Handelsblatt war am 29. September 2011 zu lesen: „Städte melden schwarze Zahlen; kräftig steigende Gewerbesteuereinnahmen erleichtern den Kommunen die Haushaltskonsolidierung.“
In Mülheim an der Ruhr ist das leider nicht so. Seit 2007 hat sich die Gewerbesteuer bei uns kontinuierlich reduziert.
Das derzeit prognostizierte Gewerbesteuerergebnis 2011 in Höhe von rund 115 Mio. Euro bleibt mit rd. 30 Mio. Euro hinter dem Planansatz. Dies führte dazu, dass auch die Planung für die Jahre 2012 ff. auf dieser Basis zzgl. Mülheim-spezifischer Faktoren und unter Anwendung der neuesten Orientierungsdaten angepasst werden musste. Gegenüber der bisherigen Planung für 2012, die noch Gewerbesteuererträge von 156,56 Mio. Euro vorsah, liegt der aktuelle Ansatz nur noch bei 129,6 Mio. Dies ist ein Rückgang um fast 27 Mio. Euro.
Für weitere Abweichungen zur „alten“ Planung sorgt
(FOLIE 7)
2. Sinkende RWE-Dividende
Durch die Energiewende mit Brennelementesteuer und Laufzeitverkürzung von Atomkraftwerken ist mit abnehmenden Unternehmensgewinnen und dem zur Folge mit einer sinkenden RWE-Dividende zu rechnen. Im Vergleich zur bisherigen Planung führt dies allein in 2012 zu Mindererträgen von rd. 4,0 Mio. EUR (ohne Stiftungen).
Ein weiterer entscheidender Punkt:
3. Höhere Personalaufwendungen
Der Personalaufwand in Höhe von 113,03 Mio. Euro gehört mit 18,9% an den Gesamtaufwendungen zu den größten Aufwandspositionen.
Gegenüber der letztjährigen Mittelfristplanung ist hier eine Verschlechterung um rd. 5,5 Mio. Euro eingetreten. Die Gründe dafür liegen im Wesentlichen in
- Besoldungs- und tarifrechtlichen Steigerungen,
- geringerer Auflösung von Rückstellungen und
- externen Einstellungen für den Mehrbedarf auf Basis des aktuellen Personalschlüssels nach dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) sowie von Feuerwehrauszubildenden.
Darüber hinaus war die Planungsgrundlage für den alten Ansatz 2012 zu niedrig, da dieser noch aus dem Jahr 2010 stammte und höhere Personaleinsparungen enthielt als tatsächlich realisiert werden konnten. Dazu aber später mehr.
4. Höhere Versorgungsaufwendungen
Die Versorgungsaufwendungen steigen um 1,9 Mio. Euro. Höhere Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen, die wir für Ruhestandszahlungen bilden müssen, sind der Grund.
Hinzu kommen
5. Drei nicht realisierbare HSK- Vorschläge aus dem Doppelhaushalt 2010/2011
§ Bußgelder: Die Bezirksregierung hat uns das Aufstellen von stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen an Autobahnteilstücken untersagt. Dadurch entsteht ein Minderertrag in Höhe von 1,0 Mio. Euro.
§ Aufgabe von Schulstandorten: Der Rat der Stadt hat in seiner Sitzung am 21. Juli 2011 den Bildungsentwicklungsplan beschlossen. Diese Rahmenplanung sieht die Aufgabe von Schulgebäuden vor.
Die genaue zeitliche Realisierung muss jedoch auch mit Blick auf die korrespondierenden Investitionsmaßnahmen, z. B. durch Verlagerung zu anderen Schulstandorten, abgestimmt werden. Da der HSK-Vorschlag somit nicht in dem geplanten Umfang realisiert werden kann, ergibt sich eine Hauhaltsverschlechterung im Jahr 2012 von 224 TEuro.
§ Kommen wir als letztes zur Liniennetzoptimierung:
Der für das Jahr 2012 vorgesehene Konsolidierungsbeitrag von rund 350 TEuro kann nicht erreicht werden, da eine Entscheidungsfindung bisher noch nicht möglich war. Auf dieses Thema komme ich später noch einmal zurück!
Meine Damen und Herren,
das war ein Teil der Ladung, die unsere Fahrt verlangsamt und die Lage insgesamt verschlechtert. Es gibt aber darüber hinaus zumindest 3 wesentliche positive Entwicklungen:
· Gemeindeanteil an der Einkommensteuer (FOLIE 8)
Hier ist gegenüber dem alten Planungsstand für 2012 von 59,8 Mio. Euro ein Anstieg von 3,2 Mio. Euro auf 63 Mio. Euro zu verzeichnen. Das ist ein Anstieg von über 5 %. Die eingetretene gesamtwirtschaftliche Belebung wirkt sich positiv auf das prognostizierte Steueraufkommen für NRW aus.
· Reduzierung der Gewerbesteuerumlage (FOLIE 9)
Durch die verminderten Gewerbesteuererträge ergibt sich demzufolge eine Reduzierung bei der Gewerbesteuerumlage von 23,3 Mio. Euro. auf 18,6 Mio. Euro, die sich in Höhe von 4,7 Mio. Euro positiv für den Haushalt darstellt.
· Mehrerträge Landesersparnis Wohngeld
Bei der Landesersparnis bei den Wohngeldausgaben, die in Form einer Zuwendung den Gemeinden zufließt, kann die alte Planung in Höhe von 3,5 Mio. Euro um 3,2 Mio. Euro auf den Gesamtbetrag von 6,7 Mio. Euro erhöht werden. Durch die Entlastung der Kommunen aufgrund der Reduktion der „Sonderbedarfsergänzungszuweisungen – Ost“ erhöhen sich die Zuwendungen an die Kommunen.
Bei den Schlüsselzuweisungen ist für 2012 ein Betrag in Höhe von 28,7 Mio. Euro berücksichtigt. Der alte Planungsstand aus dem Doppelhaushalt 2010/2011 wurde zunächst beibehalten, weil uns zurzeit noch keine anderslautenden Daten vorliegen. Das Gemeindefinanzierungsgesetz 2012 ist noch nicht beschlossen. Eine erste Modellrechnung wird Ende Oktober / Anfang November erwartet
Zu guter Letzt noch ein Blick auf unseren städtischen „Dispokredit“, die so genannten Liquiditätskredite, und auf die langfristigen Verbindlichkeiten, die Investitions-Kredite.
(FOLIE 10)
Die Liquiditätskredite steigen von 499 Mio. Euro in 2010 auf voraussichtlich 605 Mio. Euro zum Ende des laufenden Jahres und auf rund 680 Mio. Euro in 2012. Bis zum Jahr 2015 ist gar mit einem Anstieg auf bis zu 855 Mio. Euro zu rechnen.
Das bedeutet (FOLIE 11): jeder Mülheimer Bürger ist durch die Überziehung unseres städtischen Girokontos im Jahr 2012 theoretisch mit rund 4.000 Euro verschuldet. Betrachten wir die Zinszahlungen für die Liquiditätskredite in 2012 von rund 16,4 Mio. Euro. Sie machen alleine schon rund 22 % des geplanten Defizits aus.
Erfreulich hingegen entwickeln sich die langfristigen Verbindlichkeiten (Kernhaushalt und Eigenbetriebe). (FOLIE 12) Sind es 2011 noch rund 449,4 Mio. Euro, so werden es 2015 lediglich rund 437 Mio. Euro sein. Dies ist eine Entschuldung von rund 12,5 Mio. Euro, sprich rund 2,8 %. Diese Entwicklung ist auf die Deckelung der „Kreditlinie“ zurückzuführen.
Liebe Ratsmitglieder,
auf Einzeldaten des Haushaltsplanentwurfes gehe ich heute nicht ein. Die Eckpunkten der Planung und zur weiteren Entwicklung haben wir Ihnen im Vorbericht komprimierter zusammengestellt. Den Haushaltsplan haben wir in diesem Jahr in Abstimmung mit Ihnen erstmalig nur noch als CD ausgeben - bis auf wenige Druckexemplare für die Fraktionen. Eine Sparmaßnahme, die auch in Ihrem Sinne war. Den Vorbericht haben Sie dennoch als Ausdruck erhalten, damit Ihnen die wichtigsten Informationen zum Nachschlagen vorliegen.
Meine Damen und Herren!
Was sind nun die genauen Ursachen, die uns in die heutige Situation und damit ins sehr unruhige Fahrwasser gebracht haben?
Klar ist, wir stehen nicht alleine da, wir fahren in einer ganzen Flotte. Im Jahr 2011 mussten bereits rund ein Drittel der nordrhein-westfälischen Kommunen nach den Maßgaben des Nothaushaltsrechts und damit unter erheblichen Beschränkungen wirtschaften. Daran konnten auch mehrfach fortgeschriebene und engagierte Haushaltssicherungskonzepte nichts ändern. Lediglich 2% aller NRW-Kommunen konnten in 2011 einen strukturellen Haushaltsausgleich erreichen.
Zum Jahresende haben die Liquiditätskredite in NRW die unglaubliche Größe von über 20 Mrd. Euro erreicht und sind damit über 17 % höher als ein Jahr zuvor. Zum 30. Juni lagen sie bereits bei rund 21 Mrd. Euro. Das ist ein Anstieg um 5 % in einem halben Jahr; trotz einer verbesserten konjunkturellen Lage.
Hier Ursachenforschung zu betreiben ist nicht schwer.
Ich prangere heute nicht zum ersten und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal die chronische Unterfinanzierung der Kommunen und die Konnexitätsverletzungen an. Durch zahlreiche Gesetze von Bund und Land mussten und müssen wir immer wieder zusätzliche und nicht hinreichend gegenfinanzierte Leistungen erbringen.
Es ist, wie Sie alle wissen, durch das Gutachten der Professoren Junkernheinrich und Lenk inzwischen wissenschaftlich bestätigt, dass nur mit massiven und nachhaltigen Bundes- und Landeshilfen die bestehende Schieflage der Kommunalhaushalt in NRW ausgeglichen werden kann.
Die gesamt „Gemengelage“ wird durch folgende Darstellung deutlich:
Die Steuereinnahmen, Schlüsselzuweisungen u. ä. Positionen werden als „allgemeine Deckungsmittel“ bezeichnet. Diese sollen die konsumtiven Aufwendungen wie Personal-, Sach- und Transferaufwendungen decken bzw. finanzieren. (FOLIE 13)
Seit dem Haushaltsjahr 2007, in dem wir einen tatsächlichen Haushaltsausgleich hatten, sind die allgemeinen Deckungsmittel von rund 289 Mio. Euro auf rund 254 Mio. Euro in 2012 gesunken. Dies entspricht einer Reduzierung von rund 35 Mio. Euro oder rd.12 %. Im gleichen Zeitraum sind die kommunalen Zuschussbedarfe für das Amt 45 (Amt für Kinder, Schule, Jugend) und das Amt 50 (Sozialamt) von rd. 131 Mio. Euro auf rd. 160 Mio. Euro angestiegen (oder: uneinholbar weggeschwommen). Dies entspricht einer Defizitausweitung von rund 29 Mio. Euro, somit rd. 22 %. Betrachtet man allein diese Parameter führt dies zu einem Finanzierungsdefizit von rund 64 Mio. Euro.
Allein diese Betrachtung macht deutlich, dass unser Defizit darauf zurückzuführen ist, dass keine ausreichende Finanzausstattung für den notwendigen Aufgabenbestand vorliegt.
Liebe Ratsvertreter,
wir Kommunen müssen immer und immer wieder öffentlich gegen das Vorurteil kämpfen, dass wir nicht richtig mit Steuermitteln wirtschaften können und nicht genug sparen. Das ist so nicht wahr! Was meinen denn Sie, warum wir seit drei Jahren mit mittlerweile 27 Kommunen gemeinsam für einen Weg raus den Schulden kämpfen – und das parteiübergreifend?
Können hier gleich 27 Kommunen nicht wirtschaften?
Mit unserer Armada, dem Aktionsbündnisses, machen wir öffentlich Druck bei Bund und Land, um eine dauerhafte und strukturell wirksame Neuordnung der Kommunalfinanzen zu erzwingen. Erste Erfolge sind zu verzeichnen, weitere Hilfen in Aussicht gestellt. Aber nur als Hilfe zur Selbsthilfe mit der Verbindung, weitere Sparaktivitäten einzuleiten.
Meine Damen und Herren,
Sie haben jetzt einen Überblick über die Haushaltssituation und das Zustandekommen des Defizits bekommen. Was folgt nun daraus?
Bevor ich dazu komme, welche Konsequenzen wir daraus gezogen haben, wie wir das Schiff wieder auf Kurs bringen, möchte ich kurz auf das eingehen, was mir in Gesprächen immer wieder begegnet.
Ich werde zum Beispiel gefragt, warum die Budgets der Fachbereiche nicht generell um einen bestimmten Prozentsatz gekürzt werden. Darauf kann ich nur sagen: Unsere Ansätze sind inzwischen derart knapp, dass eine neuerliche Kürzung den Kolleginnen und Kollegen nicht mehr zugemutet werden kann. Ich sage weiterhin: Auch wenn das gleichmäßige Abdrehen des Geldhahns kurzfristig Entlastung bringt, eröffnet dies keine nachhaltige Perspektive. Müssen wir uns nicht vielmehr so aufstellen, dass wir uns für die Zukunft mit der besten Mannschaft und den wichtigsten zukunftsichernden Leistungen bestücken?
Und: Eine generelle Kürzung würde nicht zwischen Pflichtaufgabe und freiwilliger Leistung unterscheiden. Würde auch nicht die schon vollzogenen Kürzungen durch aufgabenkritische Untersuchungen der Fachbereiche berücksichtigen. Allein durch die Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen zum Doppelhaushalt 2010/2011 wurden bereits 194 Sparmaßnahmen und damit eine strukturelle Verbesserung von rund 36 Mio. Euro erzielt.
„Die Verwaltung spart ja nicht beim Personal und will nur Steuern erhöhen“ – auch das muss ich mir oft anhören. Bevor wir uns wieder darüber unterhalten, will ich Ihnen gleich den Wind aus den Segeln nehmen. So sieht die tatsächliche Entwicklung aus: (FOLIE 14)
Es ist richtig, dass die Personalkosten ansteigen.
Aber man muss sich auch einmal die Entwicklung und die Gründe der letzten Jahre vor Augen halten. Betrachten wir die Entwicklung der Personalaufwendungen ohne Rückstellungen ab dem Jahr 2005. Denn Rückstellungen wurden verwaltungsweit erst ab dem Jahr 2007 gebildet.
Es wird deutlich, dass der Personalkostenanstieg im Wesentlichen auf Besoldungs- und tarifrechtlichen Steigerungen (15, 4 Mio. Euro), erhöhtem Personalaufwand aufgrund gesetzlicher Erfordernisse (15,1 Mio. Euro) bzw. dem Sondereffekt der Rückführung der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung Mülheimer Grün und Wald (6,0 Mio. Euro) in den Bereich der Kernverwaltung beruht. (FOLIE 15) Ohne Berücksichtigung dieser Veränderungen sind die Personalaufwendungen zwischen den Jahren 2005 und 2010 um 12,6 Mio. Euro gesunken. Aufgrund der für die Jahre 2011 - 2015 weiteren geplanten Einsparungen werden die Personalkosten bis 2015 voraussichtlich um weitere 13,3 Mio. Euro reduziert. In 10 Jahren werden somit Personalkosten in einer Gesamthöhe von 25,9 Mio. Euro eingespart. Dies entspricht einer Reduzierung von etwas über 30 % und wäre aus meiner Sicht ein gutes Ergebnis!
Liebe Ratsmitglieder,
Sie vermissen bestimmt die Aussagen über die positiven Auswirkungen aus der Bundesbeteiligung an der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. (FOLIE 16) Durch die sukzessive Übernahme der Grundsicherungskosten im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund sollte eine direkte Haushaltsentlastung ab 2014 in Höhe von rund 8 Mio. Euro entstehen. Dies wird so nicht kommen, da gegenläufig in verschiedenen Leistungsbereichen mit weiteren Kosten- und Fallzahlsteigerungen zu rechnen ist. Hierzu zählen im Wesentlichen
- rund 1,6 Mio. Euro bei der Hilfe zum Lebensunterhalt,
- rund 1,4 Mio. Euro in der Hilfe für Kinder, Jugendliche und ihre Familien,
- rund 0,3 Mio. Euro in der Hilfe zur Pflege,
- rund 1,4 Mio. Euro durch die Gewährung von Investitionskostenzuschüssen,
- rund 2,1 Mio. Euro in weitere Produkte des Sozialamtes (z.B. Hilfen in anderen Lebenslagen, Heimaufsicht, Pflegeberatung).
Somit verbleibt es lediglich bei einer direkten und absoluten Haushaltsverbesserung im Sozialbereich gegenüber dem Rechnungsergebnis 2010 von rund 1,6 Mio. Euro.
Der Verkauf der RWE-Aktien - auch dieses Thema wird immer wieder gerne zur Rettung unseres Haushalts aufgerufen. Ich bitte Sie, heute noch einmal grundsätzlich zur Kenntnis zu nehmen: Ein wesentlicher Teil unserer Aktien (rd. 4,1 Mio. Stück) sind unverkäufliche Stiftungsaktien. Und ein Verkauf des übrigen Aktienbestandes (rd. 5,5 Mio. Stück) ist nur sinnvoll, wenn er auch wirtschaftlich ist. Und diese Situation hatten wir bisher noch nicht. Der Aktienkurs, die Dividendenerträge und die Zinsen für Liquiditätskredite müssen dabei betrachtet werden.
Das ist alles das, was mir in Gesprächen begegnet. Jetzt komme ich zu dem, was unser Schiff für die Zukunft wieder „auf Kurs“ bringen kann. Die Frage, mit der ich diesen Abschnitt eingeleitet habe, war „Was folgt nun daraus?“.
Wesentliche Punkte sind bereits diskutiert und ausgereizt. Dies zeigt auch ein Vergleich mit den HSKs anderer Städte. Es gibt nicht mehr die „zündende Idee“.Wir haben im letzten Jahr intensiv über das Kunstmuseum, die Stadtbüchereien, das Friedrich-Wennmann-Bad, das Theater an der Ruhr, die VHS, den Ringlokschuppen und auch über die Reduzierung von Zuschüssen an Vereine und Verbände sowie die Einführung einer Pferde- und Übernachtungssteuer diskutiert. Diese Maßnahmen haben wir für 2012 nicht noch einmal „aufgegossen“. Falls Sie es wünschen, stellen wir Ihnen diese gerne noch einmal zur Verfügung!
Wir haben uns bei der Weiterentwicklung des HSKs für die folgenden 4 Bausteine entschieden: (FOLIE 17)
1. Personal- und Sachaufwendungen
Hier wird eine strukturelle Verbesserung von 6,1 Mio. Euro erreicht.
a) In Umsetzung des Ratsbeschlusses vom 22. März 2007 werden wir in den Jahren 2015 und 2016 den Personalaufwand weiterhin um 1,5 % reduzieren. Dies kann nur unter der Bedingung erfolgen, dass im entsprechenden Umfang Aufgaben abgebaut werden. Ab 2016 ergibt sich dadurch eine strukturelle Haushaltsverbesserung von rd. 3,0 Mio. Euro. Für die Jahre 2017 – 2021 wird keine weitere Reduzierung vorgenommen.
b) Auch bei den Sachaufwendungen legen wir weiterhin einen sehr strengen Maßstab an. Durch die fortschreitende Reduzierung von Sachaufwendungen wie beispielsweise Fremdleistungen, Prüfungen, Beratungen, öffentliche Bekanntmachungen und Leasing werden wir bis 2015 rund 3,1 Mio. Euro einsparen.
2. Beteiligung der Gesellschaften am Konsolidierungsprozess
Hier ist im Ergebnis eine Verbesserung von 5 Mio. Euro jährlich zu erwarten.
a) Nehmen wir zunächst die MVG. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren einen Konsolidierungsbetrag von rd. 8,8 Mio. EUR erreicht. Dies ist ein gutes Beispiel für konsequente Haushaltskonsolidierung. (FOLIE 18) Ein „grober“ Betriebsergebnis-Vergleich mit den Verkehrsunternehmen der Städte Oberhausen und Hagen macht aber deutlich, dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Die Verluste je Einwohner liegen in Mülheim an der Ruhr um 70 Euro je EW (sprich: 11,8 Mio. Euro) bzw. 90 Euro je EW (sprich: 15,2 Mio. Euro) höher als in den aufgeführten Städten. Wir streben daher für die Jahre 2017 bis 2019 weitere strukturelle Einsparungen von rund 3,5 Mio. Euro an.
Dies soll zum Einen durch eine stadtverträgliche Liniennetzoptimierung ohne Qualitätsverlust, d. h. durch ein koordiniertes Gesamtkonzept Nahverkehr, erreicht werden. Zum Anderen sind weitere allgemeine Erlös- und Kostenoptimierungen vorzunehmen.
(FOLIE 19)
b) Des Weiteren wird die SWB einen Beitrag leisten. Die Gesellschaft hat in den letzten Jahren positive Jahresergebnisse erzielt. In der derzeitigen Wirtschaftsplanung wird diese Entwicklung weiterhin erwartet. Ziel ist es, ab 2020 eine Ausschüttung von jährlich 500 TEuro vorzunehmen. Bis 2019 ist eine Ausschüttung im Zusammenhang mit der früheren Gemeinnützigkeit der SWB nicht möglich.
c) Bei den übrigen Gesellschaften sind operative Erlös- und Kostenoptimierungen von rund 1,0 Mio. Euro eingeplant.
3. Stärkungspakt Stadtfinanzen
Der Stärkungspakt Stadtfinanzen der Landesregierung ist zu begrüßen und ein sehr gutes Signal für die kommunale Familie.
Unserer Finanzsituation wird erstmalig die Aufmerksamkeit geschenkt, die ihr auch zusteht. Es werden strukturell rund 5,85 Mrd. Euro bis 2020 zur Verfügung gestellt. Um davon in den ersten Stufen profitieren zu können, müsste Mülheim bis 2016 überschuldet sein. Dies ist das einzige Zugangskriterium für Empfängerkommunen, das wir nach derzeitiger Zahlenlage aber nicht erfüllen. Mit anderen Worten: Weil wir noch eine handbreit Wasser unterm Kiel haben, bekommen wir keine Hilfe! Aber hierüber habe ich bereits im Finanzausschuss berichtet. Die Stadt Mülheim an der Ruhr kann aus den genannten Gründen nachweislich keinen Haushaltsausgleich aus eigener Kraft erreichen.
Wir gehören zu den NRW-Kommunen mit den höchsten Defiziten und den höchsten Kassenkrediten. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Landesregierung auch der Stadt Mülheim an der Ruhr helfen wird und wir spätestens in der 3. Stufe des Stärkungspaktes eine Unterstützung erhalten – denn: wir brauchen eine Perspektive! Wir haben daher ab 2016 rund 6,5 Mio. Euro eingeplant. Diese Summe haben wir in Anlehnung an das Junkernheinrich/Lenk-Gutachten für Mülheim berechnet.
Kommen wir nun zum 4. und letzten HSK-Baustein:
4. Anpassung der Hebesätze für Grundsteuer und Gewerbesteuer
Hierdurch wird eine jährliche Verbesserung von 6,5 Mio. Euro erwartet.
Die Hebesätze sollen an die derzeitigen NRW-Höchstsätze angepasst werden. Für die Grundsteuer ist dies ein Hebesatz von 590 %. Wir gleichen uns hiermit an die Städte Essen, Solingen und Leverkusen an. Für einen Mieter in Mülheim wird dies im Durchschnitt ca. 3 Euro im Monat an Erhöhung bedeuten, für Ein- und Zweifamilienhäuser ca. 4 Euro.
Mit dem Gewerbesteuerhebesatz von 490 % erfolgt eine Angleichung an Duisburg, Oberhausen, Hagen und Bottrop.
Diese Entwicklungen sind für 2016 eingeplant und sollen erst dann realisiert werden, wenn uns tatsächlich Mittel aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen zufließen.
Eine große Herausforderung in der Zukunft bleibt die bauliche Infrastruktur. Wir haben im Kernhaushalt Tiefbaumaßnahmen in Höhe von 11,1 Mio. Euro (2011 = 7,8 Mio. Euro) geplant. Der ImmobilienService hat in seinem Wirtschaftsplan ein Investitionsvolumen für Hochbaumaßnahmen in Höhe von 12,4 Mio. EUR (2011 = 27,1 Mio. Euro) geplant.
Und natürlich dürfen wir Eines grundsätzlich nicht aus den Augen verlieren:
Vor dem Hintergrund der Staatsschulden- und Bankenkrise herrscht große Unsicherheit und Misstrauen an den Märkten. Es deutet derzeit Vieles auf eine erneute Abkühlung der Wirtschaft hin. Die Prognosen reichen von leicht schrumpfender Wirtschaft bis hin zu geringen Wachstumsraten. Sollte die Wirtschaft in eine längere „Schwächephase“ kommen, würden sich unsere Steuereinnahmen wieder reduzieren und die Sozialaufwendungen würden sich noch stärker erhöhen. In der Folge müssten wir unsere Haushaltsplandaten nachbessern, da wir die NRW-Orientierungsdaten vom 09. September 2011 berücksichtigt haben, die auf der letzten Steuerschätzung aus Mai basieren.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
meine Damen und Herren,
wir haben in den vergangenen Monaten viel Zeit, Energie und Arbeit investiert, um diesen Haushalt auf Kurs zu bringen. Er bietet im Ergebnis trotz einer schwierigen und in manchen Bereichen auch noch ungewissen Ausgangslage eine gute und realistische Basis für die Gestaltung und Steuerung unserer Stadt. Der vorliegende Haushaltsplanentwurf ist sicher kein Wunschhaushalt. Aber unter den schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen er entstanden ist, bilden seine Eckdaten ein durchaus vorzeigbares Ergebnis, mit dem wir vor die Bezirksregierung treten können.
Ich danke Allen, die diesen Haushalt mit gestaltet und damit die Voraussetzungen geschaffen haben, damit Sie, meine Damen und Herren, die notwendigen Beschlüsse treffen können.
Mit diesem Haushalt geben wir ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, dass wir verantwortungsvoll handeln und uns den aktuellen wie auch den zukünftigen Herausforderungen mit dem richtigen Verhältnis von Engagement und Augenmaß stellen; ohne dabei nachfolgende Generationen aus dem Auge zu verlieren
Liebe Ratsvertreter,
für den anstehenden Beratungsprozess möchte ich Ihnen noch einen Grundsatz mit auf den Weg geben: Es muss alles daran gesetzt werden, dass die veranschlagten Mittel ausreichen!
Sollte es im Laufe der politischen Beratung zu Ausweitungen in einem Bereich kommen, so müssen diese grundsätzlich auch aus diesem Bereich gedeckt werden. Auch ich habe mich beispielsweise im Hinblick auf die „Weiterzahlung“ des Zuschusses an die Klimaschutzinitiative daran gehalten. Sie haben vor der Sommerpause entschieden, den Zuschuss von rund 100 TEuro auch für die nächsten Jahre zur Verfügung zu stellen. Einen Finanzierungsvorschlag gab es hierfür nicht. Ich habe daher im Planungs- und Umweltdezernat diesen Betrag an andere Stelle gekürzt, nämlich im Wesentlichen aus den Bereichen Straßenunterhaltung und Lokale Agenda.
Meine Damen und Herren,
wir fahren derzeit mit maximaler Ladung. Um zumindest die Balance halten zu können und die Weiterfahrt nicht zu bremsen, müssen wir sie klug verteilen. Wenn wir jedoch mehr Fahrt aufnehmen wollen, sind wir sogar gezwungen Teile der Ladung abzuwerfen! Denn: Geld haben wir keines. Und: weitere Schulden engen unseren Handlungsspielraum zusätzlich ein und belasten uns und künftige Generationen obendrein.
Ich hoffe, wir sind uns alle darin einig, das ein Warten auf passenden Wind das falsche Manöver wäre, um auf den angestrebten Kurs zu kommen. Vielmehr müssen wir alles daran setzen, das Ruder wieder in die eigene Hand zu bekommen, um auch die Richtung wieder selbst zu bestimmen.
Dazu müssen wir auch mal ungewohnte Wege gehen. (FOLIE 20)
Ich wünsche Ihnen und uns allen in diesem Sinne einen zielgerichteten und erfolgreichen Beratungsprozess.
Kontakt
Kontext
- Etatrede des Stadtkämmerers Uwe Bonan zur Einbringung des Haushaltsplanentwurfes für das Jahr 2012 ff. (Dateigröße: 2163 KB/-typ: pdf)
- Rede von Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld zur Einbringung des Etats 2012 am 6.10.11 (Dateigröße: 44 KB/-typ: pdf)
Stand: 07.10.2011
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