Archiv-Beitrag vom 23.07.2013Interview mit dem Stadtkämmerer

Archiv-Beitrag vom 23.07.2013Interview mit dem Stadtkämmerer

Uwe Bonan, Beigeordneter und Stadtkämmerer der Stadt Mülheim an der Ruhr. Foto: Walter Schernstein Kämmerer Uwe Bonan zu den Auswirkungen der Kabinettsbeschlüsse der Landesregierung zum Thema Kommunalfinanzen

Uwe Bonan: „Zunächst ist festzuhalten, dass die einzelnen Beschlüsse nun in den politischen Beratungsprozess gehen und die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände beginnt.

Nun zu den „Einzelthemen:

1. Einheitslastenabrechnungsgesetz:

Der Entwurf des Einheitslastenabrechnungsgesetztes (ELAG) soll nun endlich die Anforderungen aus dem Urteil  des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2012 (8.5.2012) umsetzen. MH erhält aufgrund der Neuregelungen des ELAG für die Jahre 2007 bis 2011 insgesamt (2011 noch vorläufig) rund 6,2 Millionen Euro zuviel gezahlte Solidarbeiträge zurück. Das heißt die Beträge, die wir in den letzten Jahren zu viel gezahlt haben (Überzahlung) erhalten wir nun zurück. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen ist die jetzige Lösung ein fairer Kompromiss. Mit der Auszahlung wird bis Ende 2013 gerechnet.

Gibt es noch weitere Effekte für Mülheim?
Im Übrigen gibt es noch einen buchhalterischen Vorteil. Ursprünglich wurde in 2011 für 2009 ein negativer Betrag in Höhe von 1.261.073,14 Euro abgerechnet, der aber nicht an das Land ausgezahlt sondern gestundet wurde. Dieser Betrag kann nun ertragswirksam aufgelöst werden und führt demnach zu einer zusätzlichen buchhalterischen  Ergebnisverbesserung.

Wie wirkt sich das ELAG auf die nächsten Jahre aus und wie werden die 6,2 Millionen Euro jetzt genutzt?

Die Abrechnung für das Jahr 2012 erfolgt in 2014, für 2013 in 2015 und so weiter. Diese Beträge stehen jedoch noch nicht fest. Insgesamt wird NRW-weit in den nächsten Jahren mit einer jährlichen „Abrechnungssumme“ zu Gunsten der Kommunen von bis zu 150 Millionen Euro gerechnet.

Der Rückzahlungsbetrag für die Jahre 2007 bis 2011 in Höhe von 6,2 Millionen Euro wird zum Ausgleich entstehender Verschlechterungen, zum Beispiel die Nichtausschüttung der Sparkasse von 1 Millionen Euro, und zur Reduzierung des Haushaltsdefizits 2013 von rund 93 Millionen Euro genutzt

2. Eckpunkte für das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2014:

Vor dem Hintergrund der Steuermehreinnahmen des Landes werden die Kommunen voraussichtlich Zuweisungen in Höhe von 9,378 Milliarden Euro (Anstieg gegenüber GFG 2013 rund 722 Millionen Euro) erhalten. Im GFG 2014 sollen verschiedene Aktualisierungen vorgenommen werden; zum Beispiel die Reduzierung des Soziallastenansatzes. Dies soll in zwei Schritten in den Jahren 2014 und 2015 erfolgen, um teilweise erhebliche Umverteilungswirkungen abzumildern.

Die erste Modellrechnung für 2014 wird erst unmittelbar nach den Sommerferien vorliegen, so dass derzeit keine konkreten Auswirkungen auf Mülheim ermittelbar sind.

Es gibt allerdings auch ein postives Signal, nämlich  dass das Fifo-Gutachten zur Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs, aus dem wir eine Verschlechterung von rund 2,0 Millionen Euro jährlich befürchten, zunächst diskutiert werden soll und eine Umsetzung mit dem GFG 2014 nicht erfolgt. Aufgeschoben ist allerdings noch nicht aufgehoben, das heißt wir werden den weiteren Prozess wachsam begleiten.

3. Solidaritätsumlage:

Als Beitrag zur Finanzierung des Stärkungspakts Stadtfinanzen sollen nur die "nachhaltig abundanten" Kommunen eine Solidaritätsumlage in Höhe von rund 182 Millionen Euro leisten, also nur die Kommunen, die aufgrund ihrer eigenen hohen Steuerkraft keine Schlüsselzuweisungen erhalten werden. Welche Kommunen in 2014 abundant sind, steht erst in wenigen Wochen fest.

Vom Grundsatz her bin ich der Auffassung, das es nicht richtig ist, die Stufe 2 des Stärkungspaktes ausschließlich mit kommunalen Mitteln/Komplementärmittel – in Stufen bis zu rund 310 Millionen Euro jährlich - zu finanzieren. Diese Mittel hätte das Land zur Verfügung stellen müssen!

Bisher wurde die Stufe 2 des Stärkungspakts durch einen Vorwegabzug aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz – rund 65 Millionen Euro in 2012 und rund 115 Millionen Euro in 2013ff – finanziert.

Somit wurden unter anderem den finanzschwachen Städten weitere Schlüsselzuweisungen vorenthalten. Nach dem Motto „Arm finanziert Ärmer“ haben im Wesentlichen die finanzschwachen Städte durch Verzicht auf höhere Schlüsselzuweisungen die Stufe 2 des Stärkungspakts bisher geschultert.

Wir mussten dadurch bisher auf rund 2,0 Millionen Euro verzichten. Bis zum Jahr 2020 – Ende Stufe 2 Stärkungspakt – sind dies weitere rund 8,4 Millionen Euro, die uns vorenthalten werden. Es ist richtig und wichtig, dass wir nicht noch einmal zusätzlich belastet werden und der Kelch an uns vorbei geht.

Gesamtfazit:

Die ständigen Umverteilungsmaßnahmen/-effekte (z.B. im Stärkungspakt und über die Gemeindefinanzierungsgesetze) führen nicht zu einer Stabilisierung der kommunalen Einnahmen und auch nicht zu eine strukturellen Entlastung. Trotz aller Bekundungen der Landesregierung, dass alle Kommunen auch wieder uneingeschränkt handlungsfähig werden; steigen die Kassenkredite weiter an. Ende 2011 lagen die NRW-Kassenkredite bei 22,1 Milliarden Euro und Ende 2012 trotz Stärkungspakt bei rund 23,7 Milliarden Euro; ein Anstieg um 7,1 %. Die Kommunen stehen weiter am Abgrund!“

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Stand: 23.07.2013

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