Archiv-Beitrag vom 04.04.2014Mitgliederversammlung Städtetag NRW in Mülheim
OB Dagmar Mühlenfeld appelliert vor dem Städtetag: Infrastruktur erhalten, Finanzausstattung garantieren, Soziallasten reduzieren
Der Städtetag Nordrhein-Westfalen blickt mit Sorge auf erhebliche Finanzierungslücken, durch die es immer schwerer wird, die kommunale Infrastruktur und elementare Dienstleistungen für die Bevölkerung in angemessenem Umfang zu erhalten und zu erneuern. Besonders notleidend ist die Verkehrsinfrastruktur mit sanierungsbedürftigen Brücken und Straßen in vielen Städten in NRW, auch einen leistungsfähigen Nahverkehr, der den Anforderungen an die Barrierefreiheit Rechnung trägt, gilt es sicherzustellen. Das machte der Städtetag NRW in Mülheim an der Ruhr bei seiner Mitgliederversammlung am 3. April deutlich - unter dem Motto „Gute Dienstleistungen und Infrastruktur: Nur mit leistungsfähigen Städten“.
v.l.n.r. Oberbürgermeister Peter Jung (Wuppertal), Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (Mülheim), Oberbürgermeister Norbert Bude (Mönchengladbach), Städtetagsgeschäftsführer Dr. Stephan Articus.
Fotos: Walter Schernstein
Oberbürgermeister Peter Jung neuer Vorsitzender in NRW
Der neu gewählte Vorsitzende des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Oberbürgermeister Peter Jung aus Wuppertal sowie Mülheims Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld erklärten: „Trotz wichtiger Entlastungen bleibt die Finanzlage vieler nordrhein-westfälischer Städte sehr schwierig. Es ist bislang lediglich gelungen, den Abwärtstrend zu verlangsamen. Der Zustand der Verkehrsinfrastruktur von Bund, Land und Kommunen sowie der hohe kommunale Investitionsrückstand in Nordrhein-Westfalen haben sichtbar negative Auswirkungen und können eine ernste Gefahr für den Wirtschafts- und Wohnstandort NRW werden. Vergleiche der kommunalen Investitionsausgaben hierzulande mit denen anderer westdeutscher Flächenländer zeigen, dass in NRW besonders hoher Nachholbedarf besteht. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen leiden insgesamt unter einem Investitionsstau von mittlerweile fast 30 Milliarden Euro, davon mehr als ein Viertel im Verkehrsbereich.“
Wegen der prekären Finanzlage gelinge es in vielen Städten in NRW nicht, die Anforderungen an eine leistungsstarke Infrastruktur und gute Dienstleistungen aus eigenen Kräften zu erfüllen, so Dagmar Mühlenfeld. Die Kassenkredite der Kommunen sind im vergangenen Jahr nochmals um 1,6 Milliarden Euro gestiegen und betragen inzwischen mehr als 25 Milliarden Euro. Gerade bei den größeren Städten sind die kommunalen Haushalte durch Sozialausgaben überlastet und ist unverkennbar, dass Probleme bei der Sicherung der Infrastruktur bestehen.
Städte brauchen schnellstmöglich die Entlastungen durch den Bund
„Um die Leistungsfähigkeit der Städte in ganz Nordrhein-Westfalen zu erhalten, muss das Land den kommunalen Finanzausgleich weiter aufstocken und eine gerechte Verteilung der Mittel sichern. Zudem brauchen die Kommunen eine finanzielle Mindestausstattung, die in der Landesverfassung garantiert wird und verhindert, dass angesichts der Schuldenbremse demnächst Schulden des Landes in die Kommunalhaushalte exportiert werden. Besonders bedeutsam ist auch die Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben durch den Bund. Die Städte in NRW wollen erreichen, dass im Laufe dieser Legislaturperiode die Kommunen bundesweit um mehr als die bisher zugesagten 3 Milliarden Euro entlastet werden. Die Kommunen brauchen spürbare Entlastungen über die vorgesehene Vorabhilfe von 1 Milliarde Euro jährlich hinaus bereits in dieser Legislaturperiode und nicht erst beginnend mit dem Jahr 2018. Für das von der großen Koalition geplante Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung und die damit verbundene Entlastung der Kommunen muss zügig eine zeitliche Perspektive entwickelt werden“, forderte OB Jung.
Eine bedarfsdeckende soziale Infrastruktur, eine qualitätsvolle Bildungsinfrastruktur sowie ein ausreichendes Angebot an sozialen Dienstleistungen sind unabdingbare Voraussetzungen für funktionierende, lebendige und sozial ausgewogene Stadtgesellschaften. Die Städte sind sich ihrer Verantwortung dafür bewusst und stellen sich der Herausforderung, diese Angebote an die sich ständig wandelnde Stadtgesellschaft anzupassen.
Land und Bund müssen Mittel für kommunale Verkehrswege regeln und aufstocken
Im von Pendler- und Güterverkehr intensiv geprägten Nordrhein-Westfalen sind vielerorts die Folgen der Unterfinanzierung in der Verkehrsinfrastruktur augenfällig. Die Gesamtkosten allein für Sanierung oder Neubau von rund 12.000 Brücken in kommunaler Trägerschaft werden bis 2030 auf 2,46 Milliarden Euro geschätzt. Das entspricht notwendigen Mitteln in Höhe von 144 Millionen Euro jährlich. „Wir brauchen von Bund und Land NRW ein Sofort- und Notprogramm zur Reparatur neuralgischer Verkehrsinfrastruktur, insbesondere für Brücken. Zudem müssen die Zuweisungen des Landes an Kommunen im Verkehrsbereich auch für Instandhaltungsinvestitionen geöffnet werden“, machte Dagmar Mühlenfeld deutlich.
Der Städtetag erinnerte daran, dass für kommunale Verkehrsinvestitionen das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und das Entflechtungsgesetz 2019 enden, ohne dass Weichen für eine Anschlussfinanzierung durch Bund und Länder gestellt sind. Das Land NRW hat zwar die vom Städtetag geforderte Zweckbindung der sogenannten Entflechtungsmittel ab 2014 in NRW sichergestellt, erhöht seinen Landesanteil von rund 260 Millionen Euro bisher aber nicht, und die Bundesmittel bleiben derzeit bis 2019 auf dem Niveau von 2006. „Das Land muss die Mittel des Bundes aufstocken, um der steigenden Nachfrage nach ÖPNV-Angeboten in den Städten gerecht zu werden. Es muss sich zudem mit Nachdruck für eine Nachfolgeregelung zur kommunalen Verkehrsfinanzierung auf Bundesebene einsetzen, wenn es nicht selber den Investitionsbedarf in vollem Umfang tragen will.“ Die Städte benötigen auf Bundesebene auch unverzüglich eine Regelung zur Förderung von Großprojekten des Nahverkehrs über 2019 hinaus. Nur so können die Städte ihre Planungs- und Finanzierungssicherheit behalten und große Investitionen von zentraler Bedeutung auf den Weg bringen.
Spirale der steigenden Soziallasten stoppen
Besonders starke Auswirkungen haben Unterfinanzierung und Investitionsstau in Nordrhein-Westfalen auf die Vielzahl der strukturschwachen Städte im Land, betonte der Geschäftsführer des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Dr. Stephan Articus: „Gerade strukturschwache Städte mit desaströser Haushaltslage kämpfen mit hohen Sozialausgaben. Sie verfügen nicht über ausreichende Mittel, ihre Infrastruktur auf ein Mindestmaß zu modernisieren und ihre Dienstleistungen auf den notwendigen Stand zu bringen. Es kommt zu sich selbst verstärkenden Entwicklungen und einer Negativspirale: Steigende Soziallasten beschränken die Möglichkeiten der Städte für wichtige Investitionen. Das führt zu unzureichenden Standortqualitäten und in der Folge zu weiter steigenden Soziallasten. Diese Spirale gilt es zu stoppen. Das Ausmaß und die Güte der sozialen Dienstleistungen und der sozialen Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger sollten nicht vom Wohnort abhängig sein.“
In den nordrhein-westfälischen Kommunen werde insgesamt nur gut die Hälfte des durch-schnittlichen Investitionsniveaus der westdeutschen Flächenländer erreicht, so Articus. Gleichzeitig haben die Kommunen in NRW aber pro Kopf die höchsten Sozialausgaben im bundesweiten Vergleich der Flächenländer.
Vom Land erwartet der Städtetag Nordrhein-Westfalen deshalb, dass es für eine aufgaben-adäquate Finanzausstattung der Kommunen Sorge trägt. Die verfassungsrechtlichen Konnexitätsregeln einzuhalten, sollte dabei zum gesetzgeberischen Normalfall werden. Das Land und bei zentralen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben im Sozialbereich auch der Bund müssen die Städte wieder in die Lage bringen, ihre großen Aufgaben selbst bewältigen zu können, sagte Articus.
Kontakt
Stand: 04.04.2014
[schließen]
Bookmarken bei
Facebook
Twitter
Google
Mister Wong
VZ Netzwerke
del.icio.us