Archiv-Beitrag vom 15.06.2016Oberbürgermeister Ulrich Scholten: "Flagge zeigen" gegen das Atomkraftwerk Tihange 2
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz empfängt Stadtchefs in Brüssel. Schulz: „Ich stehe auf Ihrer Seite.“
Die Menschen in der DreiländerRegion rund um Aachen haben Angst vor einem GAU im Kernkraftwerk Tihange, der diese Region unbewohnbar machen würde. Auch weitere Teile von NRW liegen im Umkreis von Tihange: Der Pannenreaktor ist nur 60 Kilometer von Aachen entfernt. Das Ruhrgebiet, und somit auch Mülheim an der Ruhr, liegen zwar außerhalb der 100-Kilometer-Zone. „Aber“, so Oberbürgermeister Ulrich Scholten, „auch wir müssen Flagge zeigen gegen Tihange“. Wir sollten mit Tihange 2 in dieser Form nicht leben müssen, mahnt Scholten an. Aus diesem Grund war es dem OB ein Anliegen, bei dem Treffen von über 80 Landräten, Oberbürgermeistern und weitere Hauptverwaltungsbeamten unter Federführung von Städteregionsrat Helmut Etschenberg in Brüssel dabei zu sein.
OB Ulrich Scholten (rechte Bildhälfte Mitte) bei der Übergabe des Informations- und Auskunftsersuchen an EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz.
Foto: Andreas Herrmann
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wurde dort ein in acht Aktenordnern akribisch zusammengestellter Fragenkatalog übergeben. Die Europäische Kommission wird darin gebeten, sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihr im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Tihange 2 vorliegen. Außerdem soll sie alle ihr zustehenden Informationsansprüche gegenüber dem Königreich Belgien sowie weiteren Adressaten geltend machen und prüfen, ob das Königreich Belgien mit seinem Vorgehen in Bezug auf den Kernreaktor Tihange 2 gegen Vorgaben aus den europäischen Verträgen verstoßen hat beziehungsweise verstößt.
„Inzwischen bezweifeln auch unabhängige Experten, dass der Reaktorblock Tihange 2, der zuletzt am vergangenen Freitag (10. Juni 2016) abgeschaltet werden musste, noch über die nötigen Sicherheitsreserven verfügt, um einem Störfall standhalten zu können“, berichtet OB Scholten. Deshalb habe man ein Auskunfts- und Informationsersuchen an die EU-Kommission gerichtet.
„Ich stehe auf Ihrer Seite“ sagte Martin Schulz bei dem Treffen. „Wir sollten dem belgischen Staat mit Infrastruktur und monetär helfen“. Auf den in Deutschland beschlossenen Atomausstieg bezogen führte er weiter aus: „Die drittgrößte Energienation der Welt zeigt, dass man den Energiewandel managen kann. Es ist möglich, auch ohne Kernenergie ökonomisch erfolgreich zu sein. Das ist meine Position und dafür kämpfe ich auch.“
Zum Hintergrund
Der Reaktor Tihange 2 musste in den letzten Jahren mehrfach wegen Betriebsstörungen vom Netz genommen werden. Bei Untersuchungen zeigten sich mehrere tausend Risse im Reaktordruckbehälter. Die zuständige belgische Behörde hat selbst bestätigt, dass die Ursachen der Risse bis heute nicht geklärt sind. Aufgrund dieser Risse wird beispielsweise das Kühlwasser geheizt, da sonst ein Bersten des Reaktordruckbehälters („thermischer Schock“) droht. Der Leiter des Büros für Atomsicherheit, Prof. Wolfgang Renneberg, vergleicht die Situation im Stahlmantel des Reaktors mit einem Reißverschluss, der zu platzen droht. „Die FANC muss endlich sagen, was wir zu erwarten haben, wenn der schlimmste Fall eintritt. Es geht hier nicht um Tihange oder Doel, sondern um die Menschen in weiten Teilen Europas. Für mich wäre entscheidend, diese Kraftwerke nicht weiter laufen zu lassen.“
Während der belgische Innenminister Jan Jambon immer wieder die Sicherheit der Anlage betont, hat Gesundheitsministerin Maggie de Block entschieden, die gesamte Bevölkerung Belgiens mit Jodtabletten zu versorgen.
Eine Betriebsgenehmigung für das Wiederhochfahren von Tihange 2 wurde im Übrigen nie veröffentlicht. Vermutlich hat es auch keine Unterrichtung der Europäischen Kommission über die Wiederinbetriebnahme nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Artikel 37 EURATOM) gegeben. Jeder Mitgliedstaat ist danach verpflichtet, der Kommission über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe aller Art die allgemeinen Angaben zu übermitteln, aufgrund deren festgestellt werden kann, ob die Durchführung dieses Plans eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaates verursachen kann.
Die starke Allianz aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie den Niederlanden und Luxemburg vertritt im Übrigen die Interessen von rund acht Millionen Menschen!
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Stand: 17.06.2016
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