Archiv-Beitrag vom 04.11.2010Verlegung des 100. Stolpersteins am 9. November 2010
"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist"
Dieses jüdische Sprichwort ist Leitmotiv dieser Aktion, der sich bundesweit mehr als 190 Arbeitskreise angeschlossen haben. Sie tragen Sorge dafür, dass die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur aus der Anonymität in das Bewusstsein der Öffentlichkeit treten. Die Aktion wurde durch den Kölner Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen, der die Idee dazu 1993 entwickelte und 1997 den ersten Stolperstein in Berlin-Kreuzberg verlegte. Inzwischen sind europaweit mehr als 26.000 Steine verlegt, über 590 davon in Deutschland, einige auch in Österreich, Ungarn und Polen.
Schüler und Schülerinnen der Realschule Stadtmitte haben aus Anlass ihres Schuljubiläums 2004 im Rahmen eines Schulprojekts das Schicksal jüdischer Schüler und Schülerinnen während der NS-Zeit untersucht und die Anbringung der ersten Gedenksteine in Mülheim an der Ruhr initiiert. Am 18. Dezember 2004 wurden durch den Künstler Gunter Demnig in Mülheim sieben "Stolpersteine" verlegt, die an die Opfer der NS-Herrschaft erinnern sollen.
Nach der Realschule Stadtmitte führt nun die Mülheimer Initiative für Toleranz (MIT) gemeinsam mit dem Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr diese Aktion fort.
Verlegung des 100. Stolpersteins
Der vorerst letzte "Stolperstein" in Mülheim wurde am 9. November 2010 (Reichspogromnacht) verlegt. Mit der Verlegung des 100. Stolpersteins kann der Arbeitskreis dann auf vier Jahre erfolgreicher Arbeit zurückblicken.
An der Ecke Kohlenkamp/Leineweberstraße wurden in Erinnerung an die Eltern von Eva und Helene Hirsch, die Eheleute Julius und Henriette Hirsch zwei Stolpersteine verlegt; vor dem Haus Eppinghofer Straße 135 in Erinnerung an die Eltern von Gerhard Hirsch, die Eheleute Josef und Else Hirsch zwei weitere.
Mit der Verlegung in der Erinnerung an die Eltern der Kinder, für die bereits "Stolpersteine" verlegt sind, folgt der Arbeitskreis einer Anregung von Gunter Demnig. Er sieht die Verlegung von "Stolpersteinen" für alle Familienangehörigen als eine Art der Familienzusammenführung an - indem dann an alle um's Leben gekommenen Angehörigen einer Familie erinnert wird.
Die Verlegung der insgesamt fünf weiteren "Stolpersteine" an drei Verlegeorten in unserem Stadtgebiet fand vor dem Haus Auerstraße 59 in der Erinnerung an Benjamin Traub, den Bruder des Mülheimer Kunstmalers Daniel Traub, ihren diesjährigen Abschluss.
"Ohne die hervorragende Recherchearbeit der MIT und des Stadtarchivs wäre dies nicht möglich gewesen. Der Arbeitskreis Stolpersteine gibt den 'Opfern ein Gesicht', würdigte Bürgermeisterin Renate aus der Beek die herausragende Initiative. Sie war bei den meisten Verlegungen persönlich dabei und erinnert sich noch gut an die vielen Begegnungen und beeindruckenden Erlebnisse mit den Angehörigen. "Da bekomme ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke," beschreibt Renate aus der Beek diese bewegenden Momente.
Für den Sprecher des Arbeitskreises, Friedrich-Wilhlem von Gehlen ist es außerdem wichtig, dass mit der Verlegung eines "Stolpersteins" ein Ort geschaffen wird, an dem auch Trauer stattfinden kann, "denn für die Angehörigen gibt es sonst keine Stätte, an der sie trauern können. Hier können Sie es tun," so von Gehlen.
Begleitend zu den Verlegungen und den biographischen Recherchen ist mit finanzieller Unterstützung der Sparkassenstiftung eine Dokumentationsmappe erschienen, die Biographien der einzelnen NS-Opfer enthält. Die Dokumentation wird an Schulen, Jugendeinrichtungen und mit Jugendarbeit befasste kirchliche Einrichtungen kostenlos abgegeben. "Das ist keine reine Abfolge von Lebensdaten, sondern das sind historische Lebensgeschichten," so der Leiter des Stadtarchivs, Dr. Kai Rawe. "Wir sind stolz darauf, dass dies in Mülheim gelungen ist und das Stadtarchiv daran einen Anteil hat," ergänzt Rawe und gibt den Dank der Bürgermeisterin gerne an seine Kolleginnen und Kollegen weiter.
Verteilt über das gesamte Stadtgebiet liegen mittlerweile insgesamt 95 Stolpersteine an 51 verschiedenen Verlegeorten. Eine Übersicht als Tabelle und Karte sowie alle Informationen zu dem Projekt "Stolpersteine" finden Sie hier.
Enthüllung einer Gedenktafel am Hans-Böckler-Platz
Im Anschluss an die Verlegung des 100. "Stolpersteins" fand vor dem Haus am Hans-Böckler-Platz 3 eine Gedenkstunde statt.
Hier, genau am Ortsausgang des Forum City Mülheim, liegen seit dem 2. März 2010 fünf an die Mitglieder der Familie Abrahm Meyer erinnernden "Stolpersteine".
"Als in der Vorbereitung der damaligen Verlegung eine Abstimmung mit der Eigentümerin dieses Platzes, der Hans-Böckler-Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG stattfand, entwickelte sich die Idee, die wir jetzt gemeinsam umsetzen," erklärt Bürgermeisterin Renate aus der Beek.
Dort wo heute die Hochhäuser stehen, verlief einst die "Köhle". Nummer 16 war früher als "Judenhaus" bekannt; dort warteten 18 Menschen auf ihre Deportation in verschiedene Konzentrationslager, bevor sie dort ermordet wurden. "So etwas darf nie wieder passieren," so die Bürgermeisterin. Die Gedenktafel soll dabei helfen.
Michael Zühlke, Geschäftsführer der Gesellschaft freute sich, den Abschluss der "Stolperstein"- Aktion bilden zu dürfen. "Die Mülheimer interessieren sich für ihre Geschichte, auch die Bewohner der Hochhäuser am Forum", die Zühlke zur Gedenkstunde eingeladen hatte. Im Beisein der Anwohner und zahlreicher Schüler enthüllte er gemeinsam mit der Bürgermeisterin die Gedenktafel vor Ort - "Gegen das Vergessen".
Kontakt
Stand: 10.11.2010
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