Archiv-Beitrag vom 25.10.2011Aktionsbündnis reagiert mit Lob und Kritik
Konkrete Vorschläge zum Stärkungspakt Stadtfinanzen der Landesregierung / „Keinen Keil treiben in die Kommunale Familie“
„Die meisten Oberbürgermeister und Landräte reagieren mit einer Mischung aus Anerkennung, Kritik und Verbesserungsvorschlägen auf den Gesetzesentwurf der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum Stärkungspaket Stadtfinanzen“, so die Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld, Sprecherin des parteiübergreifenden Aktionsbündnisses „Raus aus den Schulden / Für die Würde unserer Städte“. „Wenn der Stärkungspakt nicht scheitern soll, dann bedarf es einer dringenden und schnellen Weiterentwicklung, sprich einer Nachbesserung im Gesetzesentwurf.“
Mülheims Kämmerer Uwe Bonan, der den Vorsitz in der Kämmerer-Runde des Aktionsbündnisses führt, erklärt: „Wir stehen solidarisch an der Seite der 34 Kommunen, die in diesem Jahr bereits Landeshilfe erhalten sollen. Wir halten das für richtig. Doch im nächsten Jahr muss das weiter greifen. Wenn weitere 104 finanziell ums Überleben kämpfende Kommunen nur sehr vage einbezogen werden, treibt das einen Keil in die kommunale Familie, fördert Entsolidarisierungseffekte und unterscheidet nach nicht nachvollziehbaren Kriterien zwischen notleidenden Kommunen erster und zweiter Klasse. Das ist keineswegs geeignet, dauerhaft wirksame Hilfe zur Selbsthilfe aus der vorwiegend nicht eigenverschuldeten kommunalen Schuldenfalle aufzuzeigen“.
Viele Kommunen auf der "Intensivstation"
Die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Konsolidierungshilfen – also die temporären „Überbrückungsmittel“ – des Landes in Höhe von 350 Mio. Euro bleiben deutlich hinter den Erwartungen des Bündnisses zurück. Die Mittel sollen allein an die Gemeinden ausgezahlt werden, für die sich aus dem Haushaltsplan eine Überschuldung im Jahr 2010 oder in der mittelfristigen Finanzplanung ergibt. Damit wird gemessen an der strukturellen Lücke bzw. der aktuellen Fehlbeträge gerade mal ein Viertel des Haushaltsproblems „erreicht“. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum lediglich 34 Kommunen auf die „Normalstation“ verlegt werden sollen und viele andere auf der „Intensivstation“ verbleiben“, so Bonan.
Für eine zweite Gruppe von Kommunen, deren Überschuldung sich für das Jahr 2016 andeutet, soll eine sogenannte 2. Stufe ausschließlich durch kommunale Mittel finanziert werden, und für die Mitglieder des Aktionsbündnisses heißt dies: das Land entzieht sich damit seiner Verantwortung für die übrigen notleidenden Kommunen. „Statt Problemlösung ist hier Problemverlagerung auf schwer nachvollziehbarer Datenbasis die Devise“.
Für das Jahr 2012 sollen in der 2. Stufe des Stärkungspakts rund. 65 Mio. Euro genutzt werden, um den restlichen Kommunen zu helfen. Stadtkämmerer Bonan bleibt im Bild: „Das sind starke Beruhigungstropfen, damit wir nicht merken, dass wir auf der Intensivstation verbleiben.“
Das Aktionsbündnis hat in den letzten Wochen mit finanzwissenschaftlicher Unterstützung und Unterrichtung der kommunalen Spitzenverbände ein umfangreiches Weiterentwicklungspapier zum Stärkungspakt erarbeitet (siehe Datei zum Kontext). Vorgeschlagen wird, die bisher vorgesehene sogenannte 1. Stufe im Jahr 2011 umzusetzen, damit die 350 Mio. Euro für die 34 bilanziell überschuldeten Städte in 2011 fließen können. Ab dem Jahr 2012 soll dann mit einem größeren Finanzvolumen, das im Wesentlichen aus dem Landeshaushalt kommen muss, einem größeren Empfängerkreis nachhaltig geholfen werden. Das ausschließliche Kriterium der Überschuldung zur Auswahl des Empfängerkreises sei dabei nicht geeignet. Dies werde u. a. daran deutlich, dass nicht überschuldete Städte wie Essen, Mönchengladbach, Gelsenkirchen, Bochum oder Mülheim an der Ruhr teilweise höhere Defizite oder Kassenkredite je Einwohner auswiesen, als einige der 34 überschuldeten Kommunen.
Positives Signal für die Finanzmärkte nötig
Benötigt werde ein positives Signal für die Finanzmärkte. Die kürzliche Entscheidung der WL Bank aus Münster, „Nothaushaltskommunen“ keine Kredite mehr zu geben, habe gezeigt, dass das Kriterium der bilanziellen Überschuldung offensichtlich für die „Beruhigung der Bankenlandschaft“ nicht maßgeblich sei. Daher biete sich an, ab dem Jahr 2012 mit dem Auswahlkriterium der „Nothaushaltskommune“ zu arbeiten.
Ferner sei nach Auffassung des Bündnisses ein realistischer Konsolidierungszeitraum festzulegen. Ziele müssten realistisch und erreichbar sein. Innerhalb von fünf Jahren, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, könne unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kein Haushaltsausgleich erreicht werden. Realistischer wäre die Formulierung: zum nächstmöglichen Zeitpunkt und spätestens im Jahr 2021.
Nachdem die „Ruhrgebiets-Verwaltungschefs“ den Vorschlägen bei einer turnusmäßigen Beratung bereits einmütig zugestimmt haben, hofft das bislang so erfolgreiche Aktionsbündnis, auch bei der für Mitte November im Landtag stattfindenden Experten-Anhörung im Ausschuss für Kommunalpolitik Unterstützung zu finden. „Wir werden unser Weiterentwicklungskonzept kurzfristig der Ministerpräsidentin vorlegen. Eine Terminanfrage läuft derzeit“, so Dagmar Mühlenfeld.
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Stand: 03.11.2011
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