Text und Erläuterungen

Ssinter Mätes Vögelsche,
heet soan roat Kapögelsche,
cheflooge, chestoowe;
wiit, wiit öwer dä Rhin,
wo de fette Färkee sinn.

"Martinsvögel" werden schon im Mittelalter in Schriften erwähnt. Ihr Flug bedeutet ein gutes Omen. Es lässt sich jedoch kein bestimmter Vogel angeben. Kornweihe (frz. "busard St.Martin"), Schwarzspecht, Gans, Hahn und auch der Kapaun werden oft genannt. Aber nur der Schwarzspecht (dryocopus martius, vielleicht zu martinus umgedeutet) hat ein rotes "Häubchen". Er ist in der Mythologie als Feuerbringer bekannt.

Das Lied wurde links und rechts vom (Nieder-)Rhein gesungen. Sogar in der Version aus Flandern ist er enthalten.



Chutt Frau, chiff us wat,
all de Hünnerkes legge wat!
Do boowen en de Fääsche,
do hange de lange Wööste,
chiff us de lange,
lott de kotte hange,
lott us nee soa lang hie stoon,
wei wille noch en Hüüske widder choon.

Wer den Kindern etwas gibt, dem legen die Hühner viele Eier (Fruchtbarkeitsglaube).



Die weit verbreiteten "Wurstverse" werden schon 1806 in "Des Knaben Wunderhorn" als Fastnachtsverse u.a. aus Holstein zitiert. Sie machen deutlich, dass das Heischelied nicht ursächlich und allein auf das Martinsfest zu beziehen ist.



Hie van do noo Äässe,
hoal"n en fette Blässe.
Hie vöar, do vöar,
vöar de riike Koupmannsdöar.
Hier wohnt ein reicher Mann,
der uns was geben kann,
viel soll er geben,
lang soll er leben,
selig soll er sterben,
das Himmelreich ererben.
Die Maat, die löpp de Trappe eropp,
se pack waal en de Nöötesack,
se pack waal nee doneewe,
se sall us waal wat cheewe.

Die Kuh (Blässe) ist besonders in den Niederrhein-Versionen häufig erwähnt. In germanischer Zeit wurde eine gemästete Kuh als Opfer in den Wald getrieben.



Den hochdeutschen Text singt man fast identisch in vielen rheinischen Martinsliedern (manchmal auch in Platt) mit dem Zusatz:

Lasst uns nicht so lange, lange stehn, denn wir wollen weitergehn!

(bei uns im 2. Abschnitt auf Platt)

In vielen Versionen heißt es: "Hol was, gib was!" Bei uns ist daraus wohl "halt was" geworden. Es ist immer die zentrale Stelle eines Heischeliedes.

Chiff wat, haul wat,
teegent Joor wiier wat.
Ssinter Määtes Stuppstatt.
Schmiit dän Appel döar dat Chatt,
schmiit en nee soa wiit,
söös fällt he en dä Driit,
schmiit en nee soa hatt,
söös fällt he en dat Chatt!

Mit Stupstatt (Stummelschwanz) ist nach Mülheimer Lesart die jüngste Magd gemeint. Es könnte aber auch nur ein Einschub sein, der gar nicht auf die Person bezogen ist, die Äpfel werfen soll. Tierschwänze sind oft erwähnt, gehen auf die Tierverbrennung beim Sonnenwendfeuer (Johannisfeuer) und andere Bräuche (Ärzebär) zurück

Das erste "Chatt" (Loch) könnte die Bodenluke oder ein Fensterchen (Eulenflucht) gewesen sein, und der "Driet" der Misthaufen oder der Dreck der Straße, das zweite "Chatt" irgendein Loch oder der Graben. Es hat statt "Driet" (Mist) in Mülheim ursprünglich "Diek" (Teich) geheißen.

Muus, Muus, kumm eruut,
chiff us Äppel un Nööte,
Äppel un Nööte sinn soa chutt
föar dän aulen Patsfoot!

Dat Huus, dat steiht op einem Pinn,
do wonnt dä chitzige (soa un soa) drinn!

"Muus" ist ungeklärt. Die Mülheimer sehen darin zur Abwechslung mal den jüngsten Knecht (Moses). In den anderen Versionen geht "Muus" jedoch eindeutig auf Maus zurück, in Gegenden, wo Stroh für Feuer gesammelt wurde, das u.a. böse Geister, Ungeziefer und auch Mäuse vertreiben sollte.

Padsfoot = Pferdefuß als Hinweis auf den Teufel:

Wer Kindern etwas gibt, schützt sich vor ihm! Aber auch der germ. Gott Wotan wird als Reiter dargestellt.

Das Wort "Fuß" ist häufig in den Liedversionen anzutreffen und geht auf das Dialektwort für "Fuchs" zurück. Der gehört wiederum zum Feuerbrauch.

Auch der Spottvers ist weit verbreitet.



Schreibweise: Walter Ferschen



Anmerkungen:

Allgemein: Dieses Heischelied (Bettellied) existiert in über 40 Versionen von Flandern bis zur Altmark, besonders häufig aber in einem breiten Band, das sich von den Niederlanden über den Niederrhein und die untere Ruhr bis ins Tal der Wupper zieht. 

Franz.Firla 2003

Unsere Liedtradition ist untrennbar verbunden mit dem Wirken von Rektor Wilhelm Klewer (1865-1932)

 


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Stand: 19.10.2010

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