Archiv-Beitrag vom 28.04.2021Bündnis für Wohnen blickt auf erfolgreiche Bilanz zurück
Das Bündnis für Wohnen in Mülheim, das sich im letzten Jahr konstituiert hat, traf sich am 26. April 2021 virtuell zu seiner zweiten Sitzung. Oberbürgermeister Marc Buchholz und Beigeordneter Peter Vermeulen begrüßten die Teilnehmenden aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, von Sozialverbänden und Vertreter*innen aus Politik und der Stadtverwaltung. Unter der Moderation von Alexander Rychter, Direktor des Verbandes der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen e.V. wurden das in der letzten Sitzung des Sozialausschusses verabschiedete „Schlüssige Konzept für die angemessenen Kosten der Unterkunft“, die Bedeutung der aktuellen Wohnraumförderung und das Baulandpotenzial diskutiert.
Angesichts der Wohnungsmarktsituation in Nordrhein-Westfalen wie auch in vielen Ruhrgebietsstädten ist es erforderlich, besonders auf das Segment des bezahlbaren Wohnraums zu achten. Das ist auch für die Landesregierung NRW ein wichtiges Anliegen, die in diesem Jahr 1,3 Milliarden Euro für geförderten Wohnungsbau zur Verfügung stellt. Davon wird nahezu die Hälfte von Wohnungsunternehmen in Anspruch genommen, die auch für den geförderten Wohnungsbau in Mülheim an der Ruhr eine Rolle spielen.
Bezahlbarer Wohnraum ist vor allem für Niedrigeinkommensbeziehende von großer Bedeutung, die in Mülheim rund 30 Prozent der Haushalte ausmachen. Rund ein Fünftel der Haushalte bezieht Mindestsicherung nach Maßgabe der Sozialgesetze (SGB II und SGB XII). Das schlüssige Konzept hat im letzten Jahr die Angemessenheitsgrenzen neu definiert und angehoben. Da sich die Nachfrage in Mülheim in den Wohnungsmarktsegmenten nach Wohnungsgrößeren unterschiedlich entwickelt hat, war es erforderlich, die Mietobergrenze auszudifferenzieren. Sie liegt für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften mit 6,00 Euro/Quadratmeter (m²) Nettokaltmiete am höchsten. Für sehr große Bedarfsgemeinschaften beträgt die Obergrenze nun 5,83 Euro/m². In der Grundlagenerhebung vier Jahre zuvor lag dieser Wert einheitlich bei 5,45 Euro/m². Die Obergrenzen sind zwischen 1,7 und 2,4 Prozent pro Jahr gestiegen, und damit stärker als die ortsübliche Vergleichsmiete, der im Zeitraum von 2015 bis 2019 bei 1,5 Prozent pro Jahr lag. Hinzu kommen 2,29 Euro/m² kalte Betriebskosten.
Erstmalig wurde in das Schlüssige Konzept ein sogenannter Klimabonus eingearbeitet, der für Gebäude mit einem niedrigeren Energiekennwert, in der Regel energetisch höherwertige Gebäude, einen Zuschlag in zwei Stufen von bis zu 0,65 Euro/m² gewährt. Damit erhalten Haushalte in der Mindestsicherung die Möglichkeit, auch energetisch höherwertigen Wohnraum anzumieten oder nach einer Modernisierung darin wohnen zu bleiben. Michael Neitzel, national anerkannter Experte und Geschäftsführer eines großen wissenschaftlichen Instituts für Erhebungen im Wohnungswesen hebt hier besonders hervor: “Momentan ist Mülheim die einzige Kommune bundesweit, die einen solchen Bonus gewährt!“
Der Leiter des Sozialamtes, Thomas Konietzka, ging darauf ein, dass nach der Wohngeldnovelle sowie aufgrund der Corona-Situation deutlich mehr Haushalte Wohngeld beantragt haben und in Mülheim erhalten. Viele Haushalte, die eine Wohnkostenbelastungsgrenze von mehr 40 Prozent ihres Nettoeinkommens aufweisen, können diese Belastung mit Wohngeld unter diese Grenze reduzieren.
Sowohl mit dem Schlüssigen Konzept als auch mit der vom Bund gewährten Wohngeldförderung hat sich damit die Situation für Haushalte mit niedrigem Einkommen gebessert. Jedoch zeigt der überproportionale Anstieg der Mieten im unteren Preissegment, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind und zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden sollte.
Matthias Lincke, Amtsleiter, Amt für Geodatenmanagement, Vermessung Kataster und Wohnbauförderung stellte anschließend die Bodenwertentwicklung im Geschosswohnungsbau und die aktuellen Förderrahmenbedingen vor.
Mülheim an der Ruhr ist eine Stadt mit stetig wachsenden Bodenwerten nicht nur im Einfamilienhaussektor sondern auch bei Bauflächen für den Geschosswohnungsbau. Das ist für Grundstücksbesitzer gut für Grundstückkäufer schlecht, weil sie mehr für ein Baugrundstück zahlen müssen. Auch wenn in 2021 der durchschnittliche Quadratmeter-Preis für Geschosswohnungsbau um weitere 8,6 % zum Vorjahr gestiegen ist, kann von einem „durch die Decken gehen“ bei den Bodenpreisen in Mülheim nicht die Rede sein, führte Matthias Lincke aus.
Ein viel größerer „Preistreiber“ im Wohnungsbau, so Alexander Rychter, sind die deutlich höher steigenden Baukosten, das zusammen macht dem geförderten Wohnungsbau deutlich zu schaffen.
Gut zu wissen, so Matthias Lincke, dass die bei den Änderungen der Wohnungsbauförderung (WBF) der Jahre 2020 /2021 sich die Förderkontingente für Mülheim an der Ruhr deutlich verbessert haben. Das Land NRW hat in Bundesvergleich die meisten Finanzmittel für die Förderung von Wohnraum zur Verfügung gestellt. Aber es gab nicht pauschal für alle Kommunen höherer Förderungen, Mülheim hatte Glück, mit dem neuem Verteilungsschlüssel erhöhten sich die Förderkontingente in allen Förderbereichen:
Förderjahr Mietwohnungsbau Eigentumsförderung Modernisierung
2020: 5.400.000,- Euro 1.000.000,- Euro 979.000,- Euro
2021: 6.800.000,- Euro 1.400.000,- Euro 1.002.000,- Euro
Ob auch die vom Land deutlich verbesserten Förderpauschalen für den Mietwohnungsbau den Preissteigerungen beim Bau vollständig entgegenwirken können, bleibt kritisch abzuwarten. Grundsätzlich sind die langen Zinskonditionen von 0 % für 15 Jahre und der nach wie geltende Tilgungsnachlass von 25% (= geschenktes Geld für den Investor!) extrem gute Förderbedingungen für Interessenten im geförderten Geschosswohnungsbau. Dass die danach zulässige gedämpfte Miete von 6.20 Euro/Quadratmeter (2020) auf nun 6.40 Euro/Quadratmeter (2021) gestiegen ist, ist ein weiterer Baustein, den geförderten Wohnungsbau etwas attraktiver zu machen.
Mülheim an der Ruhr legt viel Wert darauf, dass neue öffentlich geförderte Wohnungen errichtet werden. Während landesweit der geförderte Wohnungsbestand trotz erheblicher und bundesweit einzigartiger Wohnbauförderung kontinuierlich zurückgeht, konnte Mülheim den Bestand an Sozialwohnungen seit 2015 annähernd konstant halten. In den Jahren 2017 bis 2019 wurden jeweils mehr als 100 Wohnungen neu gefördert. Im Jahr 2020 waren es 48 neue Wohnungen. Damit bewegt sich der Bestand an öffentlich geförderten Wohnungen seit 2016 auf einem Niveau zwischen 4.900 und 5.000 Wohneinheiten.
Auch für das kommende Jahr kann das Niveau mindestens gehalten werden, so Matthias Lincke, denn die aktuellen Zahlen aus seiner Abteilung für Wohnbauförderung prognostizieren lediglich einen Rückgang von nur 21 Sozialwohnungen in 2021. Die angedeuteten weiteren Investitionen der in Mülheim an der Ruhr tätigen Wohnungsbauunternehmen stimmen zudem optimistisch.
Vertreter des kommunalen Wohnungsunternehmens SWB erläuterten, dass nach den jetzigen Planungen bis zum Jahr 2025 rund 560 öffentlich geförderte Wohnungen geschaffen werden sollen. Ein Teil davon auch durch die Inanspruchnahme von Modernisierungsmittel. Hier werden in Kombination Mittel der Neubau- und der Modernisierungsförderung in Anspruch genommen.
Die Teilnehmenden diskutieren darüber, dass die Landesregierung NRW mit Kommunen auch ein Globalbudget vereinbart, dass im Vergleich zu den Förderkontingenten der Kommune mehr Möglichkeiten bietet, die öffentliche Wohnraumförderung punktgenauer einzusetzen. Dazu wäre es erforderlich, das Handlungskonzept Wohnen in Mülheim fortzuschreiben, in dem die Bedarfe auch für öffentlich geförderten Wohnraum dezidiert dargestellt werden. Oberbürgermeister Marc Buchholz und der Beigeordnete Peter Vermeulen betonen, dass sie die Vereinbarung eines Globalbudgets mit der Landesregierung als wichtige Unterstützung für die SWB und die Wohnungsbaugenossenschaft MWB sind, die hauptsächlich in Mülheim öffentlich geförderten Wohnraum neu schaffen.
Generell ist es wichtig, für die Nachfrage nach Wohnraum in allen Segmenten Angebote zur Verfügung zu stellen. Entscheidend dafür ist die Verfügbarkeit von Bauland. Felix Blasch, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Wirtschaftsförderung, stellt dar, dass in den letzten Jahren durchschnittlich rund 280 Wohneinheiten gebaut worden sind, gegenüber einem prognostizierten Bedarf von 295 Wohneinheiten. Damit wurde die Bedarfsprognose nahezu erreicht. Zuletzt wurden neue Wohnungen vermehrt als Ersatzneubau errichtet, es kam also verstärkt zu Rückbau mit anschließendem Neubau. Dies ist sinnvoll, wenn der Bestand nicht die Voraussetzungen bietet, die heute geforderten Qualitäten in puncto energetischer Beschaffenheit, Barrierefreiheit und Ausstattung zu angemessenen Kosten herzustellen.
Die Reserven für die Wohnbauentwicklung werden von Felix Blasch als gut bezeichnet: Reserven in Bebauungsplangebieten liegen bei circa 1.114 Wohneinheiten (WE), die der Regionale Flächenplan (RFNP)-Reserven bei circa 181 WE. Sonstige mit circa 30 WE und Baulücken mit circa 150 WE runden das vorhandene Potential in Mülheim ab. Blasch hob hervor, dass durch Verdichtung und optimaler Ausnutzung des knappen Baulandes weitere Reserven aktiviert werden können. Die Reserven für die Wohnbauentwicklung lagen 2010: 1.710 WE, 2015: 1.203 WE und wieder 2020: bei 1.475 WE.
Peter Vermeulen erinnerte daran, dass auch Aufstockungen, da, wo es passt, eine gute Möglichkeit böten, Wohnraum zu erweitern. Insgesamt sei das Thema „Bauen in die Höhe statt in die Fläche“ in Mülheim an der Ruhr zu diskutieren.
Nach zustimmenden Statements von politischen Vertreter*innen zu den Inhalten der Vorträge bemerkte der Beigeordnete Vermeulen: „Mit 6,38 Euro/Quadratmeter liegt die Durchschnittsmiete in Mülheim an der Ruhr vergleichsweise niedrig. Wir müssen den Wohnungsmarkt beobachten, aber wir sehen auch, dass unsere Maßnahmen greifen. Trotz guter Beteiligung an der Konferenz hätte ich mir die ein oder andere noch stärkere Teilnahme aus dem politischen Raum gewünscht. Insbesondere die Partei, die dieses Thema angestoßen hat, hat heute kaum Präsenz gezeigt.“ Die Chance mit den Fachleuten zu diesem wichtigen Themen im direkten Austausch, unterschiedliche Sichtweisen zu diskutieren, wäre hier gegeben gewesen.
Insgesamt zeigte sich, dass vielfältige Aktivitäten entfaltet wurden und ein guter Stand erreicht wird. Im Ausblick bekräftigen die Akteure, das Handlungskonzept Wohnen zu überarbeiten, um die Maßnahmen zur Erhaltung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums besser zu koordinieren und die Landesförderung für öffentlich geförderten Wohnraum optimal einzusetzen.
Die Arbeit des Bündnisses wird fortgesetzt. Ein neuer Termin ist für die zweite Jahreshälfte geplant.
Kontakt
Stand: 28.04.2021
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